[p. 207] Über verschiedene Typen der Skandinavischen Königsurkunden
Wenn man mit Rücksicht auf einen paläografischen Atlas Beiträge über die Typen der dänischen, schwedischen und norwegischen originalen Königsurkunden vor 1200 vorlegen soll, bietet die Überlieferung in allen drei Königreichen große Schwierigkeiten.
Ich erlaube mir zuerst die dänischen Originalurkunden, dann die schwedischen und zuletzt die sehr wenigen norwegischen Originalurkunden zu erörtern.
In Dänemark gibt es nur drei Originale vor 1200, eine fragmentarisch überlieferte Urkunde von 11351 die man noch dazu seit 1988 nur als eine Abschrift zu beschreiben versucht2, eine undatierte Urkunde des Königs Knud des Sechsten von etwa 11943, und schließlich die große Privilegienurkunde des Königs Erik Lam für das St. Petri Kloster bei Næstved aus dem Jahre 11404. Sie ist auf ein sehr hohes, aber nicht besonders breites Stück Pergament geschrieben. Es gibt einen Umbug (oder plica) mit Überresten der roten seidenen Siegelfäden. Die Schriftzeilen gehen beinahe von Rand zu Rand. Es ist noch möglich, die blinde Liniierung zu spüren. Der Schreiber benutzt die karolingische [p. 208] Diplomminuskelschrift mit sehr verlängerten Überlängen in s, l und d, mit einer Schleife als allgemeines Abkürzungszeichen, mit vereinzelten überscriebenen Buchstaben, unter anderem das sogenannte offene merowingische a und sonst i ; endlich verwendet er die et-Ligatur und nicht die tironische Note 7 für et. Noch dazu gebraucht er «e-caudata». Der Buchstabe r hat noch dann und wann Unterlenge. Mehrere große Buchstaben sind vergrößerte kleine (minuskel). Die äußeren Merkmale sind diejenigen, die zu dieser Zeit zu erwarten sind.
Diese Urkunde wird mit einer Arenga eingeleitet, die inhaltlich ein langes Beispiel des sogenannten oblivio-memoria Typus ist, dann folgt die Publicatio und Adresse, die mit et quia zur Intitulatio weiterführt. Hier ist der Königsname teilweise mit Majuskeln geschrieben und direkt mit der Dispositio verbunden. Darauf folgt die Sanktion und die abschließende Datierung mit Zeugen und zuletzt eine apprecatio, die über eine Bibelstelle aus dem Römerbrief aufgebaut ist. Unter den Zeugen tritt ein Ascerus, capellanus regis, auf. Dieser Ascerus kommt noch anderswo in den Urkunden des Königs Erik Lam vor und auch in einer Urkunde von 1148 des Nachfolger König Eriks, König Svend5. Da die Empfänger verschieden sind, ist die gewöhnliche Annahme, dass es eine königliche Kanzlei als ausstellende Behörde gibt, ob aber Ascerus oder Asser alle diese Urkunden abgefaßt hat, ist nicht mehr feststellbar. Nur ungefähr drei Wochen später stellt König Erik eine kürzere Urkunde aus, leider nur abschriftlich überliefert. Er befiehlt den Einwohnern in der Nachbarschaft des Klosters das Privilegium für St. Petri Kloster nicht zu übertreten. Der Übertreter ist als reum maiestatis regte anzusehen, und der Erzbischof hat in Anwesenheit des Königs alle diese Übertreter im Bann gesetzt. In diesem Falle ist das Formelsystem ganz einfach. Eine intitulatio — Ericus rex —, eine Adresse und salutatio. Eine promulgatio wird direkt von der dispositio fortgesetzt, die wie im voraus bereits gesagt mit dem erzbischöflichen Bann gestärkt ist. Dieses ist das älteste Beispiel eines königlichen Mandats6. Erst um 1300 oder 1320 tauchen originale Mandate wieder auf, und zwar mit Rücksicht auf Grundbesitz ausgestellt.
[p. 209] Nach dem Jahre 1200 zur Zeit des Königs Waldemar des Zweiten des Siegers, i. e. 1202-1241, fließen die Quellen reichlicher, und mehrere Originalurkunden sind überliefert. Sie zerfallen in zwei Hauptgruppen: eine Gruppe, in welcher der König die intitulatio Danorum Sclauorumque rex, dux Iucie, dominus Nordalbingie verwendet, das heißt bis zum Jahre 1214, und eine zweite Gruppe bis zum Todesjahre reichend, in welcher der König sich nur als Danorum Sclauorumque rex bezeichnet. Die Änderung hängt damit zusammen, dass der römische König Friedrich der Zweite im Jahre 1214 alle Gegenden nördlich der Linie Elben-Elde an König Waldemar den Zweiten abgab, wodurch König Waldemar als offizieller Herr der betreffenden Länder anerkannt war7.
Zur ersten Gruppe gehört unter anderen die Bestätigung der Freiheiten und Immunitäten der Kirche zu Ratzeburg, gegeben zu Østerburg auf Lolland im Jahre 12058. Wie die große Originalurkunde des Königs Erik Lam ist sie auf ein hohes, aber verhältnismäßig schmales Pergament geschrieben. Die Schriftzeilen gehen auch hier von Rand zu Rand. Nach der letzten Zeile gibt es einen leeren Raum von rund sieben Zeilen vor dem Umbug oder plica mit dem königlichen Siegel in gelben Seidenfäden. Wieder ist die karolingische Diplomminuskelschrift benutzt mit sehr langen Oberlängen auf den Buchstaben f, l, s, st in Ligatur. Dagegen hat der Buchstabe d stets gebogenen oder geschweiften Rückenstrich. Für et verwendet der Schreiber die tironische Note 7. Das allgemeine Abkürzungszeichen ist noch die Schleife. Das äußere ist also gewißermaßen altmodisch. Den Schreiber kennt man sonst nicht. Bisweilen hat man sich ihn als von dänischer Herkunft vorgestellt, weil er « ø », das heißt schräg durchstrichenes o, in Østerburg verwendet, das Argument ist aber nicht sicher, indem man z. B. auch in Mecklenburg diesen Buchstaben gebraucht. Seine Identität bleibt also noch im Dunkel verhüllt. Das Formelgut dagegen ist moderner. Anfangs intitulatio mit Devotionsformel dei gratia, Adresse und salutatio in perpetuum. Danach eine vereinfachtere oblivio-memoria Arenga mit einer narratio zusammengefügt. Sie führt zu promulgatio und dispositio weiter. Zuletzt eine corroboratio und Datierung ohne Zeugen.
[p. 210] Im Jahre 1214 am 23. Mai bestätigte König Waldemar die Dispositionen des Grafen Albrecht von Orlamünde von 1210 zugunsten des Johannisklosters in Lübeck9. Diese Urkunde ist auf ein Stück Pergament von Querformat geschrieben. Der Schreiber ist sonst nicht bekannt. Auch hier gehen die Schriftzeilen von Rand zu Rand. Die Schriftfläche ist vollständig ausgefüllt, die Liniierung ist mit Tinte durchgeführt. Der Schreiber benutzt die karolingische Diplomminuskelschrift, die Invokation am Anfang mit verlängerten Buchstaben, eine Mischung von Majuskeln und vergrößerten Minuskeln. Der Buchstabe d hat teils senkrechte, teils geschweifte Rückenstriche, der Buchstabe a ist mit einem sehr hohen Bogen versehen. Der Dictator verhält sich selbständig dem Vorlage gegenüber, nur in dispositio gibt es einige Übereinstimmungen. Das Protokoll der Urkunde fängt mit invocatio an, danach intitulatio mit ego und Devotionsformel und abschließende Adresse und salutatio. Darauf im Kontext kurze Arenga oblivio-memoria, publicatio, dispositio, corroboratio mit Hinweis auf Siegel (formule nostre impressionis) und zum Schluß sanctio. Das Eskatokoll besteht nur von einer Datierung ohne Ort oder Zeugen.
Am 29. Juli 1215 gewährte König Waldemar der Lübecker Kirche eine Schutzurkunde, auf ein Stück Pergament von Querformat geschrieben10. Es gibt keinen Umbug. Das Königssiegel hängt an roten Seidenfäden, die durch einen Schnitt zwischen der drittletzten und zweitletzten Zeile gezogen sind. Die drittletzte Zeile enthält die Datierung. Die Jahreszahl kommt vor Datum Lubec, und der Tag ist nach römischem Gebrauch. Die Zeugen sind am Ende der drittletzten Zeile und auf den zwei letzten Zeilen zusammengedrängt, jedoch von demselben Schreiber geschrieben. Eine Gruppe auf der letzten Zeile wird als de familia regis gekennzeichnet. Dies soll ein Indiz für Empfängerausfertigung sein, obwohl diese Urkunde wie früher erwähnt nach der Invokation mit ego vor intitulatio eingeleitet ist. Die Schreiberhand ist sonst weder unter den dänischen Königsurkunden noch in Lübeckischen Urkunden aufgefunden. Freilich werden ein Dorstannus notarius und ein magister Iwanus zuerst in der Gruppe De familia regis [p. 211] aufgeführt, das aber besagt nichts sicheres, weil ein Däne Dorstannus zu dieser Zeit mit Tb statt D schreiben würde. — Noch eine Schenkungsurkunde für Stadt Lübeck von 1216 soll hier erwähnt werden, weil sie Datum Iurisburgh per manum prepositi Iwari prothonotarii gegeben ist11. Das läßt vermuten, daß diese Urkunde unter Mitwirken der königlichen Kanzlei ausgestellt ist, und daß also die Kanzleiorganisationen in den größten europäischen Reichen wohlbekannt sind. Gleichzeitig ist aber zu bemerken, daß diese Urkunde ein ganz vereinfachtes Formelsystem darbietet.
Drei Jahre später, im Jahre 1219, gibt es eine Urkunde, die den König Waldemar als obersten Schiedsrichter zeigt12. Das Domkapitel zu Viborg und das Kloster zu Vitskol einigten sich, daß der König, nachdem er die Privilegien und Zeugnisse der beiden Gegner gehört habe, ein endgültiges Urteil darüber absagen solle, wie das strittige Recht über die Insel Laesø zwischen Kapitel und Kloster zu verteilen sei, damit ein Prozess vor dem Gericht vermeidet werden könne. Der König erläßt ein sogenanntes Privilegium, dessen dispositio den Schiedsspruch enthält. Die vorangehende narratio gibt den Sachverhalt, und eine kurze publicatio verbindet sie mit der dispositio. Am Anfang ein kurzes Protokoll mit intitulatio, Devotionsformel, Adresse und salutatio. Am Schluß der Urkunde nur Ort und Datierung nach Inkarnationsjahr und Königs jähr. Am Umbug hängt noch der blaugefärbte Hanfschnur, das Siegel ist aber verlorengegangen. Der Schiedsspruch des Königs wird als compositio bezeichnet.
Als Waldemar der Dritte, Sohn und Mitkönig Waidemars des Zweiten Alienora von Portugal heiratete, gab der König, der sich hier Waldemarus Secundus nannte, bekannt, daß sein Sohn in der Anwesenheit der Bischöfe und der einflußreichen weltlichen Herren seiner Frau Königin die südliche Hälfte der Insel Fünen und die Stadt Odense als Mitgift übertragen habe13. Auch diese Urkunde ist wie die Urkunde von 1219 auf ein Stück Pergament von Querformat geschrieben. Die Schriftzeilen gehen von Rand zu Rand, die Schriftfläche ist mit [p. 212] 13 Zeilen bis zum Umbug vollständig ausgefüllt. Am Umbug gibt es noch die gelben Seidenfäden mit einem Fragment des Siegels. Das Formelsystem ist dasselbe wie in den Privilegienurkunden: Protokoll mit intitulatio, Devotionsformel, Adresse und salutatio. Kurze Arenga, publicatio, dispositio, corroboratio, Zeugen und Eskatokoll mit Ort, datum per manus Hermanni prepositi de Strand, Inkarnationsjahr und Monatsdatierung römischer Art. Die Schreiberhand ist sonst nicht bekannt, die datum per manus-Formel zeigt aber Zusammenhang mit der königlichen Kanzlei. Die Schrift ist nun wie auch in der Urkunde von 1219 nicht mehr karolingisch, sondern gotisch der älteren Stufe.
Nach dem unglücklichen Todesfall des jungen Königs Waldemar des Dritten im Jahre 1231 wurde der nächstälteste Sohn Erik im Jahre 1232 zum König gekrönt. Er war dann 14 Jahre alt14. Noch in diesem Jahre bestätigt er die Privilegien seines Vaters für die Stadt Soest. Sie ist auf ein Stück Pergament in Hochformat geschrieben. In dieser Hinsicht ähnelt diese Urkunde den Urkunden aus dem Zeitraum vor 1200. Auch die Schriftzüge sind altertümlich. Die einleitende Invokation ist mit stark verlängerten Buchstaben, teilweise Majuskeln und vergrößerten Minuskeln, geschrieben. Der Buchstabe d ist mit drei Ausnahmen mit senkrechtem Rückenstrich geschrieben. Das Formelsystem ist aber gewißermaßen moderner. Nach dem Protokoll, das außer der invocatio die intitulatio, devotio, Adresse und salutatio umfaßt, folgt eine kurze narratio, die unmittelbar mit der Disposition fortgesetzt wird, woraus noch dazu vorgeht, daß König Waldemar der Stadt Köln ähnliche Privilegien gegeben hat. Darauf eine corroboratio und sanctio. Eskatokoll hat nur Acta sunt hec im Jahre 123215.
Aus den Jahren 1232 bis 1241 sind durch eine Laune des Schicksals mehr Originalurkunden aus der Kanzlei des Königs Erik als aus der des Königs Waldemar überliefert. Keine Schreiberhand ist den beiden Kanzleien gemeinsam, auch nicht in dem Falle, wo die beiden Könige an demselben Tag Urkunden über denselben Sachverhalt ausstellen, so wie über das Abkommen mit Flandern im Jahre 1240, das eine Wiederholung älterer Abkommen zu sein behauptet16. Die Urkunde des [p. 213] Königs Waldemar ist ein wenig breiter, als sie hoch ist, die des Königs Erik ist auf ein langes, schmales Stück Pergament geschrieben. Hier ist die Schriftfläche so vollständig ausgenutzt worden, daß der Umbug die letzte Zeile mit der Datierung verbirgt. Die Urkunde des Königs Waldemar hat stark an Gerbensäure gelitten, das Siegel ist verlorengegangen, die Seidenfäden sind noch da. An die Urkunde des Königs Erik, dessen Wortlaut mit dem des Vaters fast identisch ist, hängt noch das Siegel in Seidenfäden. Es gibt ein kurzes Protokoll mit Adresse, intitulatio, devotio und salutatio. Darauf folgt der Kontext mit Arenga, dispositio mit einer abschließenden sanctio verbunden. Das Eskatokoll besteht nur von Ort und Datierung. Keine Zeugen.
Noch ein solches Urkundenpaar existierte im 16. Jahrhundert. 1240 am 14. Juli befiehl König Waldemar allen Rittern und Vasallen in Estland einen Zehntteil der Zehente an den Bischof von Reval zu zahlen17, und am 24. Juli befiehl König Erik dasselbe mit fast demselben Wortlaut18, diese noch als Originalurkunde vorhanden, deren Schreiberhand sonst nicht bekannt ist, während die des Vaters nur als Abschrift des 16. Jahrhunderts vorhanden ist, weshalb es natürlich nicht möglich ist, vollständige Beobachtungen über Kanzleiverhältnisse zu machen. Möglicherweise hat noch ein drittes Urkundenpaar zur gegebenen Zeit existiert, indem man es auffallend gefunden hat, daß der junge König Erik bereits im Jahre 1235 dem Herrn Vitslav von Rügen dem Lehnrecht nach die Hälfte von Wolgast überließ19. Man könnte vermuten, daß die Urkunde des Königs Waldemar früh verlorengegangen sei und keine Spur hinterlassen habe. Der Schreiber der Erik-Urkunde taucht nach dem Thronwechsel in 1241 in Urkunden von 1242 und später wieder auf. Die beiden Schreiber der Erik-Urkunden von 1240 und 1235 benutzen gotische Schriftzüge.
Zwei Urkunden aus der Kanzlei des Königs Erik sind wegen ihrer Erscheinung bemerkenswert, die älteste von 123920, das heißt vor dem Thronwechsel, die andere von 1241 rund drei Monate nach dem Tode [p. 214] des Vaters21. Die erste ist eine Schenkungsurkunde für das St. Petri Kloster in Næstved. Der Wortlaut fußt auf die Urkunde des Königs Erik Lam von 1140. Die andere ist eine Urkunde über die Befreiung der Domherren zu Roskilde von allen Abgaben an den König. Als Gegenleistung verpflichten sich die Domherren auf eigene Kosten eine Messe für die Toten an einem speziellen Altar zu zelebrieren. Beide Urkunden sind außerordentlich sorgfältig und schön geschrieben. Die Schrift ist die gotische Diplomschrift. Ein moderates Brechen der Stäben in i, n und m läßt sich wahrnehmen, die Unterlängen auf p und g drehen sich links um, der rechte Bogen in h geht links um unter der Zeile, die Oberlängen auf senkrechtem d, auf b und l sind zerklüftet, der Hauptstab geht bisweilen unter der Zeile. Et wird mit der tironischen Note 7 mit Querstrich in der Urkunde von 1239 bezeichnet, in 1241 aber mit der altertümlicheren &-Ligatur, vielleicht weil sie den Gesamteindruck besser unterstricht. Im Vergleich mit früher ist auch die Gestaltung der ganzen Schriftfläche geändert. Es gibt einen Rand, einen gewissen Abstand zur Kante des Pergamentstückes, und die letzte Zeile ist mit Hilfe von Spatierung der letzten Wörter oder mit einem langen Strich ausgefüllt. Der Gebrauch der spezifischen dänischen Buchstaben «i» und «ø» ist dem Schreiber geläufig, und Durchstrichung des Buchstaben n zur Bezeichnung der Nasalierung kennt er auch. Dagegen muß der Gebrauch von einem verkleinerten R-Majuskel im In- und Auslaut und ein einziges Beispiel von verkleinertem N-Majuskel in Auslaut anscheinend als altertümlich gelten. Beide Urkunden bieten ein vollständiges Formelsystem dar: Protokoll mit intitulatio anfangend, Kontext mit Arenga, dispositio, die Urkunde von 1239 für Næstved mit sanctio statt corroboratio und darauf Datierung und sonst nichts. Die Urkunde von 1241 bietet eine corroboratio mit Hinweis auf das Siegel dar. Darauf die Datierung und vier namhaft gemachte Zeugen und viele andere. Zur Beurteilung der schönen Urkunde von 1241 muß es noch in Betracht kommen, daß es eine zweite Ausfertigung gegeben hat, die leider heute nur als Abschrift aus dem 17. Jahrhundert bekannt ist22. Der Unterschied zwischen den beiden Ausfertigungen finden sich in der corroboratio, [p. 215] die die beiden Brüder des Königs, den Erzbischof von Lund und den Bischof von Roskilde zusammen mit dem König die Urkunde besiegeln läßt. Entweder hat der junge König es also für sehr bedeutungsvoll angesehen, daß diese Begünstigung der Domheren in Roskilde im Einverständnis mit diesen Personen zustande gekommen ist, oder es zeigt, daß der König sich nur im Einverständnis mit diesem Personenkreis eine so bedeutungsvolle Gabe erlauben könnte. Die Situation erinnert uns an die Lage in Ribe in 1245, als der Bischof Gunner eine Verabredung mit dem Domkapitel über die Zahlung der Schulden der Kirche zu Ribe machte, nachdem man Bischof Tue, den Vorgänger auf dem Stuhl, aus seiner Gefangenschaft in Holstein nach der Schlacht bei Bornhöved losgekauft hatte. Die Haupturkunde von 1245 am 15. September ist sehr schön ausgestattet, wirklich ein «Schaustück»23. Am nächsten Tag wird die Urkunde wörtlich wiederholt, nun «alltäglicher» geschrieben, dann aber mit den eigenhändigen Unterschriften der Domherren und zwar mit ihren Hausmarken versehen24. Mit diesem Ereignis in mente kehren wir zu der Urkunde des Königs zurück. Diese schön ausgestattete Urkunde von 1241 ist die endgültige, die man gegebenenfalls zum Schau und Beweis vorzeigen konnte.
Im Jahre 1245 am 22. Oktober geben die Brüder des Königs Erik eine Urkunde über die Teilung der Erbschaft nach dem verstorbenen Grafen Albrecht von Orlamünde, welche Erbschaft die drei Brüder bisher gemeinschaftlich besaßen25. Obwohl es keine Königsurkunde an sich ist, ist sie mitgenommen, weil der Schreiber sich als etwas für uns neues von der gotischen Kursivschrift bedient. Dagegen läßt er die Schriftzeilen von Rand zu Rand gehen und fängt oben ohne Rand an. Die Schrift neigt ein wenig nach links. Der allgemeine Abbreviaturstrich ist nun wagerecht. Der Schreiber ist ohne Zweifel dänisch. Er gebraucht «ø», d. h. durchstrichenes o, besonders scøtauimus, vergl. dänisch «skødede», und. Das Formelsystem ist einfach: Protokoll mit intitulatio, Adresse und salutatio. Kontext mit promulgatio und dispositio und Pertinenzformel mit Beschreibung des königlichen Erbteils, danach corroboratio. Eskatokoll mit Ort, Zeugen und Datierung.
[p. 216] Auch in Schweden ist die Zahl der überlieferten Königsurkunden bis zum Jahre 1250 gering26, rund 40, davon 24 Originalurkunden, die alle aus kirchlichen Archiven stammen, das heißt die Empfänger sind entweder Kirchen oder Klöster27. Zehn davon gehören der letzten Hälfte des 12. Jahrhunderts und sind von dem König Knut Eriksson ausgestellt, acht zugunsten des Klosters Viby-Julita und zwei zugunsten des Klosters Nydala. Unter ihnen soll hier die Schutzurkunde für Julita hervorgehoben werden28. Sie ist wie die Urkunde des Königs Erik Lam von 1140 auf ein Stück Pergament in Hochformat geschrieben und zwar ebenso mit Benutzung der karolingischen Diplomminuskelschrift. Die Schriftzeilen gehen von Rand zu Rand. Die blinde Liniierung ist noch zu spüren. Die Oberlängen sind sehr hoch gezogen, der Buchstabe d hat mit einer Ausnahme senkrechten Rückenstrich, das allgemeine Abkürzungszeichen ist etwa ein umgekehrter Apostroph. Auf einer einfachen Protokoll mit intitulatio, Adresse und salutatio folgt eine Arenga, die durch den Ausdruck cuius consideratione mit der dispositio verbunden ist, darauf folgt eine sanctio und ein Prämienformel (sanctio positiva), bevor eine lange Pertinenzformel das Gut des Klosters beschreibt. Hierauf folgt ein Spatium von einer Zeile, bevor eine corroboratio mit Hinweis auf dem Siegel den Kontext abschließt. Es gibt keinen Umbug. Das Siegel hängt in Seidenfäden, durch zwei Schnitte gezogen.
Ferner ist die große Austauschsurkunde des Königs Knut für dasselbe Kloster auch auf ein Stück Pergament von Hochformat geschrieben und ebenso ohne Umbug. Das Siegel hängt an einem durch einen Schnitt gezogenen Pergamentstreifen. Die Schriftzeilen gehen von Rand zu Rand, und die blinde Liniierung ist noch zu spüren. Die Urkunde ist [p. 217] von einem Schreiber geschrieben, der sowohl älteres als jüngeres Schriftgut benutzt. Er benutzt &-Ligatur für et, verkleinertes Majuskel-R im Inlaut — fratribus, agRis — er verwendet einmal die seltene N-t Ligatur in appellantur, und d mit senkrechtem Rückenstrich nur in desidero. Die Buchstaben a und mehrfach auch f sind mit einer Schleife oben an der Oberlänge versehen, ähnlich wie in der Urkunde des Königs Erik Lam von 1140. Nach intitulatio und Arenga führt promulgatio direkt zu den Austauchsbestimmungen. Darauf folgen Zeugen des Austauchs und Zeugen der Bestätigung. Zum Schluß gibt es eine sanctio und eine Belohnungsformel.
Andere Urkunden dieses Königs beziehen sich auf den Gutsbesitz desselben Klosters. Sie sind ganz einfach formuliert29. In einem Fall folgen Zeugen und sanctio zum Schluß; in einem anderen Fall befiehlt er die Restituierung eines entzogenen Gutes und droht mit Strafvervolgung. Zum Schluß nur ein einfaches Valete wie im Mandat des Königs Erik Lam von 1140.
Eine Schenkungsurkunde des Königs Sverker Karlsson für die Kirche in Uppsala von 1200 ist dagegen regelrechter30. Sie ist auf einem Stück Pergament von Querformat geschrieben und mit Umbug versehen. Das Protokoll wird mit einer invocatio eingeleitet und schließt nach intitulatio und Adresse mit salutatio. Der Kontext bietet eine kurze Arenga dar, darauf folgen publicatio und eine dispositio, die zum Teil Gutsbesitz zum Teil Regeln über Gerichtsverfahren in Kriminalsachen enthält. Eine corroboratio und eine sanctio schließen den Kontext. Darauf folgen die Datierung nach Inkarnations- und Schaltjahr und die Formel regnante domino nostro Ihesu Christi cui est honor et imperium in secula seculorum Amen. Amen ist mit Zwischenraum unter den Buchstaben geschrieben, um die Zeile vollständig auszufüllen. Die Schrift ist die ältere gotische Diplomschrift.
Im Jahre 1219 stellten der König Johan Sverkersson und der königliche Kanzler Karl, Bischof von Linköping, in Gemeinschaft eine Urkunde für das Kloster Nydala heraus31. Sie ist auf ein Pergamentstück [p. 218] ohne Umbug geschrieben. Die Schrift ist die gotische Diplomschrift. Die Zeilen gehen von Rand zu Rand, und die Schrift zeigt noch nicht die beginnende Brechung. Nach Arenga und promulgatio gibt die dispositio bekannt, daß die Erben des Herrn Bengt die Fischerei in einem See für das Kloster bestimmt haben. Dies geschieht auf dem Tag der königlichen Thronbesteigung. Eine sanctio und kurze Datierung mit actum, Jahr und Regierungsjahr schließen die Urkunde.
Auch in 1220 finden wir eine Urkunde, die von König Johan Sverkersson für Kloster Riseberga bestimmt ist. Sie ist von demselben Schreiber geschrieben32. Im Gegensatz zu der Urkunde von 1219 ist sie mit einer invocatio eingeleitet, sonst ist fast dasselbe Formelsystem genutzt worden. Die dispositio bezieht sich auf Übertragung einiger Besitztümer. Nach sanctio folgen diesmal die Zeugen vor der Datierung mit Datum.
In Schweden finden wir auch einige Urkunden, die von dem König als Schiedsrichter ausgestellt sind. Zweimal hat König Erik III Eriksson ein friedliches Abkommen über Teilung einiger Waldbesitztümer zwischen dem Kloster Nydala und den lokalen Einwohnern getroffen. Beide Urkunden sind auf Pergament geschrieben, und die Siegel hängen in durch den Umbug gezogenen Fäden. Sie sind von zwei verschiedenen Schreibern geschrieben, in der älteren Urkunde mit einem schmalen Rand, in der jüngeren ohne Rand. Die Schrift ist die gotische Diplomschrift. Das Formelsystem ist sehr einfach33. Nach Protokoll mit intitulatio, Adresse und salutatio, folgt die dispositio unmittelbar, nur in der jüngeren Urkunde mit einer publicatio eingeleitet. Eine corroboratio mit Hinweis auf dem Siegel schließt die jüngere Urkunde ab34. Dieses vereinfachte System der jüngeren Urkunde wird ausschlaggebend für die folgende Zeit, wie z.B. eine Urkunde des Königs Magnus Ladulaes von 1285 am 31. Oktober, Dipl. Danicum 2. Reihe Band III nr. 154, [p. 219] zeigt35. Nun fügt man aber in den meisten Fällen ein Eskatokoll mit Datierung und Zeugen hinzu36. Einen Rand gibt es nun auch, die Größe ist natürlich sehr verschieden.
Vor 1200 kennt man keine originale Königsurkunden aus Norwegen. Aus dem Zeitraum von 1200 bis etwa 1270 gibt es einige wenige, davon 5 auf alt-norwegisch oder westnordisch abgefaßt37, 5 in lateinischer Sprache, die in Public Record Office in London vorhanden sind, und noch 5, die dem Archiv der Hansestadt Lübeck gehören. Die ältesten von diesen sind durchgehend ohne Datierung.
Die zweifellos älteste Königsurkunde ist von dem Gegenkönig Philippus, der sich auf der Kirche stützte, auf alt-norwegisch ausgestellt worden. Sie ist ohne Datierung, aber nach 1208 verfaßt und auf ein kleines rektanguläres Pergamentstück geschrieben38. Sie ist ohne Umbug. Ganz unten nahe dem Rand gibt es einen Schnitt für das Siegel. Die Schriftzeilen laufen von Rand zu Rand. Das Schriftbild ist von den speziellen Buchstaben geprägt, die wahrscheinlich von der angelsächsichen Schrift herkömmlich sind. Hier finden wir anders gestaltete Buchstaben wie f und v «wyn», durchstrichenes d und «thorn» als Zeichen beziehungsweise für das sogenannte «weiche» d und für den entsprechenden stimmlosen Laut. König Philippus befiehlt den Einwohnern in Hobøl in der Nähe von Oslo, die Entscheidung der Streitfragen über ein Gut, das der verstorbene König Inge dem Kloster Hovedøy geschenkt hat, zu beobachten. Das Formelsystem dieses Befehls ist sehr einfach. Ein kurzes Protokoll mit intitulatio nur Philippus konungr, Adresse und salutatio führt ohne Übergang zur narratio mit Darstellung des Sachverhalts. Darauf folgt die königliche sanctio. Zuletzt Eskatokoll nur mit Valete.
[p. 220] Aus der langen Regierungszeit des Königs Håkon IV Håkonsøn 1217-1263 gibt es einen Befehlsbrief wegen Streitigkeiten über die Fischerei in Døvik39, um 1224 ausgestellt, und eine Bestätigungsurkunde de königlichen Donationen für die St. Swithunskirche in Stavanger, um 1245 ausgestellt40, beide in der alt-norwegischen Sprache abgefasst. Der Schreiber der Urkunde über die Fischerei verwendet die ältere gotische Diplomschrift mit anfangenden schwachen Brechungen der Stäben in den Buchstaben m und n. Das Formelsystem ist ein wenig ausführlicher. Intitulatio noch sehr kurz: H. konongs sun H. konongr, Adresse und salutatio quediu guds oc sina Der Kontext fängt mit einer publicatio an und setzt mit einer narratio zur Erläuterung des Sachverhalts fort, die Fischerei gehöre früher dem Königtum, sei nun aber zum Bischof und den Geistlichen übergegangen. Nun haben die Bauern versucht, den Wert der Fischerei herabzusetzen. Der König droht den Verleumdern mit seinem Zorn und mit großen Geldstrafen. Kein Eskatokoll.
König Håkons Bestätigungsurkunde für St. Swithuns Kirche in Stavanger ist reicher ausgestattet. Sie ist auf ein mit Umbug versehenes Pergament geschrieben, das Siegel hängt in Seidenfäden, die durch den Umbug gezogen sind. Die Schrift ist die gotische Diplomschrift. Das Protokoll besteht aus intitulatio, Adresse und salutatio. Der Kontext fängt mit einer Arenga an, darauf folgt eine narratio mit Hinweis auf die Urkunde des früheren Königs Magnus Erlingsson und auf die Tatsache, daß die Stadt Stavanger aus dem Besitz der Kirche geraten ist. Mit den Wörtern «ok fyrir thvi» i.e. igitur, als Verbindung folgt die publicatio und dispositio. Das letztere Glied enthält die königliche Bestätigung und eine Erweiterung der Donation. Zum Schluß eine sanctio positiva, eine sanctio negativa und eine apprecatio und Zeugen, aber keine Datierung.
Die wenigen Urkunden in der lateinischen Sprache aus der Zeit dieses Königs fallen in zwei Gruppen, nämlich drei Urkunden in Public [p. 221] Record Office — und 5 in Lübeck. Die drei Urkunden in London sind an den englischen König gesandt41. Sie haben alle ein und dasselbe Protokoll mit Adresse: der englische König, intitulatio: der norwegische König, beide mit Devotionsformel dei gratia und zuletzt salutatio. Zwei von ihnen42 betreffen Gierfalken, die der norwegische König zu schenken wünscht, in dem einen Falle nach der Rückkehr der königlichen Falkenfänger aus Island. Die dritte Urkunde bezieht sich auf ein sequestriertes kaufmännisches Vermögen, deshalb eine Bitte um königliche Hilfe. Kein Eskatokoll, nur im letzten Fall ein Valete.
Die fünf Urkunden des Königs Håkon im Archiv der Hansestadt Lübeck beziehen sich alle auf Streitigkeiten oder Beendigung einiger Fragen wegen norwegischer oder lübeckischer Überfälle zur See43. Sie sind Bruchstücke der politischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden. Sie sind ganz einfach formuliert. Eine sehr kurze intitulatio, Adresse und Gruß. Danach eine Darstellung des Sachverhalts und Anspruch und Angebot. Sie sind fast alle ohne Eskatokoll mit Datierung. Nur in einem Fall gibt es eine Datierung mit Ort. Die Schrift ist die gotische Diplomschrift.
Als König Magnus Håkonsson im Jahre 1265 den Dom zu Nidaros in seinen Schutz nahm44, stellte er eine Urkunde aus, die ein reicheres Formelsystem als vorher darbietet, obwohl die Arenga fehlt. Das Protokoll ist dasselbe wie früher: intitulatio, Adresse und salutatio quediu guds oc sinu. Der Kontext fängt mit publicatio an, die unmittelbar zur dispositio führt, worauf die sanctio negativa und positiva den Text beendet. Das Eskatokoll nur eine Datierung. Das Pergament hat einen Umbug. Das Siegel hängt in Seidenfäden. Noch eine undatierte Tauschsurkunde des Königs für Nidaros45 bietet dieselben Textglieder dar. Beide Urkunden sind in der alt-norwegischen Sprache abgefaßt, die Schreiberhände sind aber verschieden. Die Formulierungen der Glieder [p. 222] lassen die Vermutung zu, daß das lateinische Formelsystem in Norwegen wohlbekannt war46.
Warum denn wählt man alt-norwegisch statt lateinisch? Die Frage ist schwierig zu beantworten. Man hat sich Vorbilder aus England vorgestellt, indem man zusammen mit Buchstaben aus der angelsächsischen Schrift auch Formeln aus der angelsächsischen Kanzleisprache übernommen hatte, z.B. die bereits genannte quediu Guds ok sina, in angelsächsischer Sprache Godes gretings and bis, vergleiche lateinisch salutem et benedictionem dei47. Das bleibt natürlich eine Vermutung, die man nicht nachweisen kann. Eine andere Möglichkeit ist, daß man die alt-norwegische Sprache wählt, weil die Sprache der mittelalterlichen Gesetze, z.B. Gulatingslogen48, bereits alt-norwegisch war und eben der Gulatingsgesetz vor 1200 auf dieser Sprache niedergeschrieben war.
Anmerkungen
(Abkürzungen: Atlas = Corpus diplomatum regni Danici I-VII (Hauniae 1938), edd. Franz Blatt et CA. Christensen. — D.D. = Diplomatarium Danicum 1. Reihe Band I-VII (København 1957-1990) 789-1249, edd. C.A. Christensen, Herluf Nielsen, Niels Skyum-Nielsen und Lauritz Weibull. — D.S. Diplomatarium Suecanum Band I (Stockholm 1829), ed. J.G. Liljegren. — Dipl. Norv. = Diplomatarium Norvegicum Band I-II und XIX (Christiania (Oslo) 1849, 1852 und 1910), ed. Chr. Lange et al.).
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