[p. 407] Entstehung der Amtsbücher in der Slowakei
Die Entstehung der Amtsbücher in der Slowakei, also im Königreich Ungarn, ist mit der Einführung der Hilfsbücher, sogenannter Register, verknüpft. Diese wurden in den Kanzleien der “glaubwürdigen Stellen” (loca credibilia) benützt1. Die “glaubwürdige Stelle” trug in diese Register — in Form von Regest oder in vollem Text — den Text der ausgestellten Urkunden ein. Das Register der “glaubwürdigen Stelle” (Grossvaradiner Kapitel) aus dem 13. Jahrhundert unterscheidet sich jedoch markant von anderen Registern. In dieses Register wurden Anmerkungen und Notizen über durchgeführte rechtliche Handlungen eingetragen. Diese Eintragungen waren jedoch keine wirklichen Notizen. Sie dienten nicht als Grundlage zur Herstellung einer Urkunde, stelten jedoch eine definitive Form von schriftlicher Zusammenfassung entsprechender rechtlicher Handlungen dar. Anhand dieser Eintragungen konnten immer entsprechende Urkunden ausgestellt werden. Das Register des Grossvaradiner Kapitels ist also nicht nur ein Hilfsregister mit eingetragenen Regesten der ausgestellten Urkunden, es beinhaltet glaubwürdige Eintragungen über den Verlauf der rechtlichen Schritte vor dieser Institution. Das genannte Register steht am Anfang der Entwicklung der vollwertigen Amtsbücher in Ungarn, deren Funktion es war, die realisierten Schritte während amtlicher Handlungen im Gerichtswesen, Administration und Wirtschaft auf ewige Zeit zu registrieren.
Diese Amtsbücher kann man in drei grundlegende Gruppen aufteilen :
Verhandlungsberichte (Protokolle)
Verzeichnisbücher und Evidenzbücher
Bücher mit wirtschaftlichen Eintragungen2.
Die Problematik der Entwicklung der Amtsbücher in der Slowakei nimmt in der Geschichte der ungarischen Diplomatik eine besondere Stelle ein. Auf dem Gebiet der heutigen Slowakei wirkte nämlich bis zum 16. Jahrhundert keine zentrale Institution. Die bedeutendsten Ämter und Landeswürden-träger, wie z.B. die königliche Kanzlei, Gerichtskanzleien der Landeswürden-träger, der Tavernik (Kammerherr), der Landesrichter usw., siedelten auf dem Gebiet des jetzigen Ungarns. Das slowakische Gebiet wurde von keiner gesonderten Institution verwaltet. Die Slowakei verlor schon im 12. Jahrhundert ihre Sonderstellung als besonderes Verwaltungsterritorium im Rahmen der ungarischen Monarchie als Teil- und Grenzherzogtum. Die [p. 408] bedeutendsten Verwaltungsinstitutionen waren hier die königlichen Komitate, die im 13. Jahrhundert in die Hände des Adels übergegangen waren und aus denen später die Adelsstühle — eine sich selbst verwaltende Form — entstanden. Eine etwas kompliziertere administrative Entwicklung dieser Institution — sicher in Folge ihrer Adelsstruktur — offenbarte sich mit der relativ späten Einführung der Amtsbücher. Erst im 14. Jahrhundert erschienen in den Adelsstühlen zuerst verschiedene gerichtliche Register, Strafen und Proskriptionen. Später, im 16. Jahrhundert, begann man mit der Praxis der Vormerkungen auf den Tagungen der Stuhlversammlungen — sogenannten Kongregationen — und zwar in Form von Protokollen3.
Die wichtigste Rolle in der Entwicklung der Diplomatik spielten zweifellos die Städte. Im mittelalterlichen Ungarn existierte auf dem Gebiet der Slowakei eine große städtische Konzentration, bis 30 Städte im 13. Jahrhundert. Diese Städte gehörten zu den bedeutendsten ungarischen mittelalterlichen Städten. Die diplomatische Produktion der Städte widerspiegelt das Niveau der Verwaltungsentwicklung der einzelnen Siedlungen, das wieder von der wirtschaftlichen Situation der konkreten Stadt abhing. Jede Stadt registrierte ihre individuelle Entwicklung, die sich auch in den Besonderheiten der Stadtdiplomatik offenbarte. Die diplomatische Aktivität entfaltete sich zuerst in den bekanntesten städtischen Siedlungen, vor allem in freien königlichen Städten und in Bergstädten. Diese Siedlungen befreiten sich in kurzer Zeit — dank ihrer günstigen wirtschaftlichen Bedingungen — von der Komitatsaufsicht und erwarben Privilegien, die die Herstellung städtlicher autonomer Verwaltungsstrukturen und eine weitere wirtschaftliche Förderung ermöglichten. In diesen Städten kann man schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Andeutungen einer diplomatischen Aktivität vermerken. Diese machte sich zuerst sichtbar in der Ausstellung städtischer Urkunden. Allmählich wuchs die Stadtverwaltung und ihre diplomatische Produktion breitete sich aus. Zur Beschleunigung der Stadtdiplomatik und zur wachsenden Benützung der Amtsbücher in der Slowakei trugen zweifellos Siedler und Gäste bei, die im 11.-13. Jahrhundert aus Westeuropa nach Ungarn kamen. In ihrer ursprünglichen Heimat waren viele von ihnen Bewohner von Städten mit einem ausgeprägten Stadtrecht. Diese ihre Errungenschaften versuchten sie auch in ihrer neuen Heimat durchzusetzen. Im ungarischen Milieu beschleunigte ihre Anwesenheit die Umwandlung der Landesorte in mittelalterliche Städte und auch die Entstehung von städtischen Selbstverwaltungsorgane. Die ungarischen Städte haben sich bei ihrer administrativen Verwaltungsentwicklung auf den modifizierten norddeutschen (Magdeburger) und süddeutschen (Nürnberger) Gerichtskreis gestützt. Sicherlich schöpfte auch die [p. 409] Stadtadministration aus dieser Quelle und die Stadtamtsbücher, die im 13. Jahrhundert in norddeutschen Städten benützt wurden, dienten so als Muster für Amtsbücher in mittelalterlichen ungarisch-slowakischen Städten. Die Vertiefung der Beurkundungstätigkeit in den Städten führte, schon am Ende des 13. Jahrhunderts, zum Beginn organisierter Stadtkanzleien. Außer Stadtdokumenten (die ältesten Stadturkunden in der Slowakei stammen aus dem Jahre 1258 aus Trnava — in der Literatur wird jedoch diese Urkunde als unecht angesehen4 — und aus dem Jahre 1275 aus Banská Štiavnica ; weitere Urkunden stammen dann aus dem Beginn des 14. Jahrhunderts ; zu dieser Zeit kann man schon in ihrer Publikation eine Kontinuität beobachten ; die diplomatische Aktivität zeigte sich zu dieser Zeit auch in anderen Städten) erschienen in den Kanzleien der mittelalterlichen Städten schon Amtsbücher.
Die Ursprünge der diplomatischen Aktivität der Städte und die Entstehung der städtischen Kanzleien wird mit der Existenz authentischer Siegel verbunden. Wahrscheinlich wählte die Stadt ihr Siegel unmittelbar nach dem Erreichen der Stadtprivilegien. Eine sphragistische Analyse authentischer Stadtsiegel läßt eine frühe Beurkundungstätigkeit auch in den Städten vermuten, in denen wir keine älteren erhaltenen Dokumente aus ihrer frühen Periode kennen. So konnte man z.B. mit Hilfe einer Analyse des ältesten Siegels von Bratislava die diplomatischen Anfänge der Stadt in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts vorschieben5. Ein großes Vorbild für die Tätigkeit der städtischen Kanzleien war die Praxis der königlichen ungarischen Kanzlei und die Erfahrungen aus den Kanzleien der “glaubwürdigen Stätten”.
Die entwickeltsten städtischen Kanzleien begannen schon in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts die ersten Amtsbücher zu führen. Es waren die Kanzleien der entwickelten Bergstädte und freier königlicher Städte, die aus dem Handel und von Jahrmärkten profitierten. Das älteste erhaltene Stadtamtsbuch in der Slowakei ist das gerichtliche Protokoll von Banská Štiavnica aus dem Jahre 1364, dessen Charakter relativ fortschrittlich ist. Dazu trugen sicher die deutschen Einwanderer bei, die hier das gerichtliche Modell aus ihrer ursprünglichen Heimat realisiert hatten, sowie Eintragungen über städtische Rechnungen aus Bratislava aus demselben Jahr. Das Bratislaver Stadtbuch beinhaltet außer Rechnungseintragungen der Stadterlöse und Stadtkosten auch Urteile und diverse vermögensgerichtliche Angelegenheiten. Ähnliche Stadtbücher wurden im 14. Jahrhundert auch in anderen slowakischen Städten geführt : Žilina, 1378-1380 ; Trnava, 1394 ; Banská [p. 410] Bystrica, 1386 und Košice, 1393, am Anfang des 15. Jahrhunderts auch in Prešov, 1412 ; Bardejov, 1416 und Kremnica, 14266. Im Falle der Stadt Košice kann man schon von Ratsprotokollen sprechen.
Eine Inhaltsanalyse der Eintragungen in den ältesten Stadtbüchern in der Slowakei definiert die ersten Stadtbücher als Beispiele des sogenannten gemischten Buches (Liber mixtus). Typologisch ausgeprägter sind sogenannte einheitliche Stadtbücher. Diese beginnen gewöhnlich mit einem Verzeichnis des städtischen Rechtes und nachher folgen Eintragungen über verschiedene gerichtliche und administrative Entscheidungen des Stadtrates. Zu solch einem Stadtbuch gehört auch das bekannte Stadtamtsbuch aus Žilina.
Die ältesten Stadtamtsbücher in der Slowakei wurden ursprünglich in Form von fertigen Einzelbänden geführt, wobei die Blattzahl des Bandes für verschiedene Arten von Eintragungen frei abgeschätzt war. Später wurden schon die Magistratsprotokolle auf lose Blätter geschrieben, um sie am Jahresende einzubinden7. Es kam dabei manchmal zum Versetzen der einzelnen Blätter und deshalb stehen einige Eintragungen nicht in chronologischer Reihe. Es kam auch dazu, daß die Blätter bei einer späteren Rekonstruktion des Buches auseinander gerieten.
Mehrere slowakische Städte gehörten im Mittelalter zu den wichtigsten Städten Ungarns. Es waren vor allem Bratislava (Pressburg), Košice (Kaschau) und Trnava (Tirnau), bis zum 15. Jahrhundert die drei wichtigsten Städte in der Slowakei. Diese Städte profitierten aus ihrer hervorragenden geographischen Position an den internationalen Handelswegen. Bratislava zog Gewinn aus dem Handel mit österreichischen Städten und aus dem Handel an der Donau, Trnava vermittelte für das ungarische Binnenland Warenaustausch mit Artikeln aus Westeuropa und Košice behauptete sich als Zentrum des Handels mit Polen. In diesen Siedlungen gewannen die Bewohner schon im 13. Jahrhundert bedeutende Stadtprivilegien und es entstanden hier gut organisierte autonome Verwaltungskomunitäten. Diese haben ebenfalls massive urkundliche Aktivitäten ausgeübt, was zur Entstehung organisierter Stadtkanzleien geführt hatte. Ein Beweis für die Existenz einer entwickelten städtischen Kanzlei war die regelmäßige Führung interner verwaltungsorientierter Schriftstücke, von Stadtamtsbüchern. In Bratislava stammen die ältesten Verzeichnisse im Stadtbuch aus dem Jahre 1364, in Trnava von 1394, in Košice von 1393. Diese Stadtamtsbücher repräsentieren nicht nur eine entwickelte Kanzleitätigkeit, sondern auch Wege zur Mannigfaltigkeit : das [p. 411] Stadtamtsbuch von Bratislava stellt einen Übergang vom ursprünglich wirtschaftlich orientierten Buch zu mehreren Amtsbüchertypen dar. In einem Buch werden die Keime zu späteren selbstständigen Amtsbüchern gelegt, wirtschaftlichen und gerichtlichen Amtsbüchern. Das Tirnauer Buch ist ein typisches Beispiel für ein wirtschaftliches Buch. Das Stadtamtsbuch von Košice ist vor allem ein Amtsbuch mit gerichtlichen Eintragungen.
Das Stadtamtsbuch von Bratislava gehört zusammen mit dem Amtsbuch aus Banská Štiavnica zu den besterhaltenen in der Slowakei. Bratislava war am Ende des 13. Jahrhunderts eine wichtige mittelalterliche Stadt mit gegliederter Stadtverwaltung. Das älteste erhaltene Typarium bezeugt, daß schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die hiesige Stadtverwaltung Urkunden ausstellte. Außerordentlich intensiv entwickelte sich die städtische Administration im 14. Jahrhundert. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erschienen spezielle Stadtamtsbücher : 1402 ein Stadtprotokoll, 1405 ein städtisches Rechnungsbuch, 1427 ein Protokoll der Testamente, 1435 ein gerichtliches Strafenverzeichnis, 1439 ein Grundbuch und Anzahlungsbuch. Sie sind zweifellos Resultate eines vorigen langjährigen Entwicklungsprozesses8.
Das älteste Stadtamtsbuch von Bratislava überholte seinem Inhalt nach diese Bücher und man findet hier Eintragungen, die in ähnlichen Bücher so früh sonst nicht erscheinen9. Dieses Buch hat eine komplizierte Zusammensetzung und die diplomatisch-inhaltliche Textanalyse zeigt eine allmähliche Erweiterung ihres Inhalts. Das Buch besteht aus einigen relativ selbständigen Teilen und aus späteren, zahlreichen und nicht homogenen Eintragungen. Seinem kompliziertem Bau nach widerspiegelt dieses Stadtamtsbuch das verwickelte wirtschaftliche, soziale, politische und kulturelle Leben in der mittelalterlichen Stadt Bratislava. Das ganze Buch ist in vier Teile gruppiert : Eintragungen über Stadtrechnungen (Erlöse und Kosten der Stadt), Eintragungen der Zunftstatuten, Eintragung von entstandenen Religionsbrüderschaften, verschiedene kurze Notizen bezüglich der Stadt und ihre Einwohner.
Die Stadtrechnungen weisen vorwiegend auf Kosten der Stadt hin : Neujahrsgeschenke für den Monarchen und die Landeswürdenträger, Kosten bei Besuchen des Monarches, des hohen Adels sowie kirchlichen Repräsentanten, Zahlungen an städtische Angestellte, Belohnungen der königlichen Beamten, Finanzierung der Mauer- und Befestigungsarbeiten sowie Kosten für [p. 412] den Straßenbau der Stadt. Die Erlöse der Stadt stellen Stadtsteuern und Darlehen von Städter dar, die jede Stadt benötigte, um nicht vorhersehbare Aktionen zu finanzieren, z.B. finanzielle Zuschüsse für den Monarchen. In diesem Teil findet man auch die jährliche Bilanz der Erlöse und Kosten. Diese Bilanz wurde vom Richter (iudex) — später vom Burgermeister — dem Stadtrat und dem Verwaltungsauschuß vorgelegt. Die Stadtrechnungseintragungen stellen den ältesten Kern dieses Amtsbuches dar.
Ein weiterer interessanter Teil des Stadtbuches von Bratislava sind die Zunftstatuten — Artikeln der handwerklichen Korporationen — vom Stadtrat erfaßt. Aus dem 14. Jahrhundert stammen die Zunftprivilegien für Preßburger Fleischer, Bäcker und Schuster.
Die Bruderschaft des Göttlichen Körpers ist die älteste Bruderschaft (religiös-charitative Institution) in der Slowakei. Sie entstand in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts (1349). In Preßburger Stadtamtsbuch findet man aber Eintragungen über diese Bruderschaft erst aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Aus dem letzten Drittel des 14. Jahrhunderts stammen die gerichtliche Eintragungen : Verstöße im Weingarten, Sittenverstöße, Erhebungen gegen den Stadtrat, Mautverstöße und verschiedene Notizen über Vermögensverhältnisse.
Der unterschiedliche Charakter dieses Stadtamtsbuches entstand durch eine Vereinigung ursprünglich gesonderter Eintragungen in dieses Buch. Es wurde auf Doppelblätter geschrieben, welche später in Lagen gebunden wurden (eine Lage enthielt 6 Blätter). Lose Blätter wurden danach in die Form eines Buches gebunden. Das Buch hat 83 Blätter. Der ursprüngliche Ledereinband aus dem 16. Jahrhundert wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts restauriert. Bei den Arbeiten kam es aber zu einem Durcheinander der Blätter.
Eine paläographische Analyse zeigt die Handschrift von 16 Schreibern. Die Eintragungen ins Stadtamtsbuch wurden von städtischen wie auch von Schreibern der Bruderschaft vollzogen. Der erste bekannte Schreiber-Notar, der die Verzeichnisse im ältesten wirtschaftlichen Stadtamtsbuch von Bratislava anlegte, war Notar Siegfried10. Die Schrift der Eintragungen aus dem 14. Jahrhundert ist gotische Minuskelkursive. Die Notizen sind in Latein und Deutsch. Interessant sind die Illustrationen bei Notizen über Zunftartikel, es sind Zeichnungen von typischen Erzeugnissen oder Produktionswerkzeugen des konkreten Handwerkes.
Die mangelnde Einheit der ältesten Eintragungen im Preßburger Stadtamtsbuch sowie seine noch niet ausgereifte Form, weisen darauf hin, daß [p. 413] es sich wahrscheinlich um das älteste Stadtamtsbuch handelt. Ursprünglich war es ein Wirtschaftsbuch — Rechnungsbuch —, in das allmählich auch andersartige Eintragungen gelangten. Solche Notizen verschwanden mit der Einführung entsprechender spezieller Stadtamtsbücher in den Kanzleien ; spätestens im Jahre 1402 ist es das Ratsprotokoll. Nach diesem Jahr wurden keine gerichtlichen Verzeichnisse ins Preßburger Stadtamtsbuch mehr eingetragen11. Zu einer Besonderheit zählen die Bucheintragungen der religiösen Bruderschaft, es hängt wahrscheinlich damit zusammen, daß viele Stadtfunktionäre ihre Mitglieder waren.
Trotz der mangelnden Einheit, Unreife und der Unregelmäßigkeit der Eintragungen (städtische Rechnungen wurden nur in den Jahren 1364, 1373-1374, 1382 geführt, wirtschaftliche Informationen wurden systematischer erst im 15. Jahrhundert eingetragen) war dieses Stadtamtsbuch aus juristischer Hinsicht voll akzeptiert und gewann einen wichtigen Platz im Leben der Verwaltung.
Das Stadtamtsbuch aus Košice aus den Jahren 1393-1405 war das älteste Buch der gerichtlichen Eintragungen in Ungarn. In Košice wurde auch schon vor dieser Zeit ein ähnliches Buch geführt, das aber nicht mehr erhalten ist12.
Im Kaschauer Gerichtsbuch befinden sich mehr als 6200 gerichtlichen sowie nichtgerichtliche Verzeichnisse13. Die Eintragungen wurden mindestens von 4 Schreibern vorgenommen. Zu Eintragungen ins Stadtamtsbuch waren nur Hauptnotare der Kaschauer Stadtkanzlei autorisiert. Die Eintragungen ins Buch erfolgten als Reinschrift, aufgrund Notizen anderer Schreiber in Makulatorien. Die Reinschrift wurde mit einer zeitlichen Verschiebung verfaßt, was die Fehler im Datieren beweisen, bzw. das Datum fehlt vollkommen. Diese Fehler entstanden bei der Umschreibung des Textes, die fehlenden Wörter weisen darauf hin, daß der Schreiber die Unterlagen nicht lesen konnte.
Während der Tagungen des Stadtrates wurden Anmerkungen direkt in Makulatorien eingetragen, also in Form von Notizen. Es wurde alles eingetragen, worüber im Stadtrat entschieden wurde. In die Reinschrift (purum) des Stadtbuches kamen nur solche privatrechtlichen Angelegenheiten, deren Publikation [p. 414] die betroffene Seite verlangte und die entsprechende Zustimmung des Stadtrates auch erlangte14. Die Buchschreiber vollzogen die Eintragungen in konkreter schematischer Form. Gerichtliche Eintragungen wurden mit einer Erwähnung des Gerichtsverfahrens eingeführt (acta iudiciaria, acta iudiciaria banni), sowie mit chronologischer Datumsangabe, danach folgte eine Information, wer wen klagte und wofür. Die Glaubwürdigkeit der Notiz wurde durch Angabe des Schriftführers und durch weitere reale Umstände betont. Die gerichtliche Eintragungen sprechen über Verstöße der unteren Sozialschichten. Eintragungen nicht gerichtlicher Natur (nota extra iudicum) waren umfangreicher und verschiedener ; es wurde hervorgehoben, daß sie im Stadtrat entstanden oder mit seinem Wissen. Sie beinhalten auch Informationen über Angelegenheiten der fremden Händler. Diese Verzeichnisse waren auch grafisch geteilt. Wichtigere außergerichtliche Notizen wurden in Form von Urkunden im Buch abgefaßt. Bei außergerichtlichen Verzeichnissen notierte man auch die Namen der Zeugen des Verfahrens. Die Schreiber verfaßten die Einträge ins Buch fast ausschließlich in der lateinischen Sprache (deutsche Notizen sind selten).
Das Gerichtstadtamtsbuch aus Košice hat 129 Blätter. Der derzeitige Einband stammt aus dem Jahre 1953, als das Buch restauriert, in Nachahmung des ursprünglichen Pergamenteinbandes durch Lederstreifen befestigt wurde15.
Gerichtliche und außergerichtliche Eintragungen stellen eine ungewöhnlich reiche Basis für personengeschichtliche Studien, es gibt hier mehr als 20000 Einträge von Personennamen in deutscher, lateinischer, slowakischer und ungarischer Sprache.
Bei einer formalen Analyse des Stadtamtsbuches aus Košice wird man durch ein gewisses Schema der Notizen überrascht, was nach Meinung einiger Diplomatiker darauf hinweist, daß schon vor dem Jahre 1393 in der Kaschauer Kanzlei ein älteres Stadtamtsbuch geführt wurde, leider aber nicht erhalten ist16.
Das Tirnauer Stadtamtsbuch aus dem Jahre 1394-1530 ist als Stadtrechnungsbuch bekannt. Es its also ein typisches Buch der Evidenz der Erlöse und Kosten17. Es ist wahrscheinlich überhaupt das erste Stadtamtsbuch, das [p. 415] in der Tirnauer Stadtkanzlei geführt wurde ; die Eintragungsweise und die Form der Notizen weisen darauf hin. Die Buchschreiber realisierten ihre Einträge über Erlöse und Kosten der Stadt in beständiger Form, sie suchten eine passende Gestallt. Das Buch kann man in zwei chronologisch und formal unterschiedliche Teile teilen18. Der ältere Teil stammt aus den Jahren 1394-1455. Erst nach einer 25. jährigen Unterbrechung setzte man ihn fort. Die Eintragungen im ersten Teil sind mit einer unansehnlichen Schrift ausgeführt, es kommt zu vielen leeren, nicht beschriebenen Blättern, an einigen Blättern stehen Hilfsberechnungen. Das könnte beweisen, daß in der Tirnauer Stadtkanzlei in dieser Zeit keine Hilfsbücher geführt wurden, wie z.B. in Košice, und daß alle Daten gleich und direkt in dieses einzige Buch eingetragen wurden. Die älteste Eintragung ist eine Notiz von den Erlösen der Stadt aus 4 untergebenen Dörfern und eine Notiz über Kosten der Stadt für Weihnachtsgeschenke des Königs, der Königin und des Tavernik19. Die Stadterlöse und Stadtkosten waren kontrolliert. Von solch einer Kontrolle spricht auch das Verzeichnis aus dem Jahre 1394. Nach dem Verzeichnis folgt eine namentliche Liste der Mitglieder des Stadtrates und der Name des buchhaltungsführenden Beamten, danach die kontrollierte Summe. Die Eintragungen im Rechnungsbuch stellen Erlöse der Stadt aus untergebenen Dörfern dar und geben sehr detailliert die Kosten an. Bei den Kosten dominieren ausgegebene Geldsummen für die Renovation der Stadtmauer und Türme, Löhne und Bedürfnisse der Stadtbeamten. So war z.B. der Lohn des Stadtnotars am Ende des 14. Jahrhunderts 4 Pfunt Denar jährlich20. An der Buchführung des ältesten Teiles beteiligten sich 13 Schreiber. Ihre Schrift kann man als Übergang zwischen Halbkursive und Kursive bezeichnen21. Die Schreiber schreiben auf Deutsch und Latein. Wir errinnern daran, daß die städtischen Urkunden von der Kanzlei in Latein ausgestellt wurden.
Das Tirnauer Buch der Erlöse und Kosten hatte einen weiche Ledereinband. Das Tirnauer Rechnungsbuch entstand in der städtischen Kanzlei, die sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu formieren begann. Das bezeugt auch die Existenz des städtischen Typars22. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wirkte ohne Zweifel schon die städtische Kanzlei in Trnava23. An ihrer Spitze stand der Stadtnotar, in Trnava auch bezeichnet als [p. 416] “Stadtschreiber”24. Die Bezeichnung Notar wurde gerade in dem ältesten Rechnungsamtsbuch aus dem Jahre 1394 benützt. Im 15. Jahrhundert erscheint auch Hilfspersonal in der Kanzlei (Schreiber). Das älteste Tirnauer Stadtrechnungsbuch wurde wahrscheinlich vom Stadtnotar selbst geführt.
Die Problematik der Stadtamtsbücher findet sich in der ungarischen diplomatischen Literatur in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als der Diplomatiker L. Fejérpataky eine Edition der mittelalterlichen ungarischen Wirtschaftsbücher herausgab. In dieser Edition erschienen auch die ältesten Wirtschaftsbücher einiger slowakischer Städte, z.B. von Trnava. Die Stadtamtsbücher wurden danach als gerichtliche Quellen erforscht, z.B. das Stadtbuch aus Žilina, das von V. Chaloupecký ediert wurde25, später die Arbeiten von I.T. Piirainen26. Die fundamentale Literatur zu den mittelalterlichen Stadtamtsbüchern bilden vorwiegend Werke von Darina Lehotská, insbesondere Studien über das Wirtschaftsbuch von Bratislava, Aufsätze in Lehrbüchern der slowakischen Diplomatik und die Musteredition des Buches der Stadt Jelšava27, sowie Werke von Ondrej R. Halaga (Problematik der Kaschauer Stadtamtsbücher). In den letzten Jahren beobachten wir eine wirklich rege Entwicklung der Forschung über die Stadtamtsbücher in der Slowakei. Die Forscher interessieren sich für die Anfangsperioden der Stadtamtsbücher, nicht nur in den freien königlichen Städten und Bergstädten, wie z.B. Kremnica, Modra und Prešov, sondern auch für Amtsbücher kleinerer Städte und Gemeinden, wie Bojnice, Dolný Kubín, Mošovce und Trstín. Wir erinnern daran, daß sich viele inhaltliche Formanalysen der Stadt- und Gemeindeamtsbücher in den Abschlußarbeiten der Absolventen des Archivstudiums an der Philosophischen Fakultät der Komenský Universität in Bratislava befinden28.