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[p. 273] Bemerkungen zur spätbabenbergischen und ottokarischen Kanzlei in Österreich und Steier (1198–1278) (Tafel VIII–X)

Die Beantwortung der Frage nach den Anfängen der landesfürstlichen Kanzlei in den babenbergisch-ottokarischen Donau- und Alpenländern führt zu einer leicht modifizierten Bestätigung der vor fast fünfzig Jahren formulierten Ergebnisse von Hans-Walter Klewitz; vereinfacht wiederholt lauten sie: 1. lange vor der cancellaria war der cancellarius; 2. die Kanzlei ist aus der Kapelle hervorgegangen1. Zum ersten Punkt ist für unser Gebiet zu ergänzen: nicht nur die Begriffe cancellaria und capella sind nicht zu belegen, auch nicht der cancellarius, wenn man vom böhmischen Kanzler König Ottokars absieht2. Die landesfürstliche Verwaltung kannte den notarius bzw. protonotarius3, unter besonderen Bedingungen den scriba bzw. scriptor4. In einer Empfängerausfertigung [p. 274] sind einmal consiliarii („Ratgeber‟) genannt5. Bemerkenswert ist ferner die Adaption der Begriffe an die zeitgenössischen Bedingungen in Übersetzungen und Fälschungen: da wird, um zwei Beispiele herauszugreifen, der protonotarius zum obristen schreiber6, der notarius zum secretarius7.

Zum zweiten: Bei sorgfältiger Durchsicht der Babenbergerurkunden waren 68 Namen von Kaplänen festzustellen, die mehr als einmal urkundlich aufscheinen. Etwa zehn davon begegneten häufig als Notare bzw. Protonotare – die Begriffe wurden sehr oft synonym verwendet –, mehrere andere unternahmen Reisen im Auftrag des Herzogs, waren gewissermaßen im diplomatischen Dienst tätig. Auch sie verfaßten gelegentlich Urkunden, die mit ihrem speziellen Auftrag in Zusammenhang standen oder ihrem eigenen Interesse dienten.

Um über diese allgemeinen Feststellungen hinaus zu einer Charakteristik des babenbergisch-ottokarischen Kanzleiwesens zu gelangen, zunächst einige Worte zur besonderen kirchlichen und politisch-dynastischen Situation der Länder Österreich und Steier.

Das babenbergische Stammland Österreich lag kirchlich im Bereich der Diözese Passau; der Versuch zur Errichtung eines eigenen Landesbistums scheiterte. Die Steiermark war kirchlich Teil der Metropole Salzburg, die 1218 in Seckau ein Eigenbistum errichtete. Ferner ist festzuhalten, daß sich seit 1192 zwei Herzogtümer unter babenbergischer Herrschaft befanden, Österreich und Steier, und daß sich in der letzten Babenbergerzeit die Bildung eines neuen Landes abzeichnete, des Landes ob der Enns. Von der dynastischen Situation seien einige wesentliche Tatsachen erwähnt8: Leopold VI., [p. 275] seit 1194 Herzog von Steier, seit 1198 auch von Österreich, galt als der glanzvollste babenbergische Fürst, als Förderer von Kunst, Wissenschaft und – Wirtschaft: von ihm stammen die Stadtrechte für Enns und Wien, unter seiner Herrschaft wurde ein neuer Handelsweg nach Venedig ausgebaut, er nahm teil an Kreuzfahrten, knüpfte und intensivierte Verbindungen zu den Mächtigen seiner Zeit. Zu den Früchten dieser Politik zählten die Ehe seiner Tochter Margarete mit dem Kaisersohn Heinrich, seine Stellung als Vermittler zwischen Kaiser und Papst, zunehmender Wohlstand in seinen Ländern, aber auch eine Straffung der landesherrlichen Gewalt. Angesichts dieser vielfältigen Aktivitäten ist es nicht verwunderlich, daß mit seiner Regierung auch eine „Kanzlei‟ ihren Anfang nahm. Leopolds Sohn Friedrich II., zunächst vom Kampf um die Behauptung des väterlichen Erbes in Anspruch genommen, riskierte eine bewaffnete Auseinandersetzung mit dem Kaiser, der 1238/39 fast ganz Österreich eroberte. Schließlich gelang dem Herzog Sicherung und Ausbau seiner Landesherrschaft; 1246 fiel er kinderlos in der Schlacht an der Leitha im Kampf mit seinem Vetter, König Bela IV. von Ungarn. Die überlebenden weiblichen Verwandten, seine Nichte Gertrud und seine Schwester Margarete, wurden mehr oder minder freiwillig in den Kampf um das babenbergische Erbe verwickelt: nach zwei kurzen Ehen mit dem Prěmysliden Wladislaw und Hermann von Baden heiratete Gertrud schließlich 1252 Roman von Halicz und wurde durch den Gang der Entwicklung auf die Steiermark und Ungarn verwiesen. Die österreichischen Landherren riefen 1250 den mährischen Markgrafen Ottokar, den Bruder des Wladislaw, ins Land, der seine Herrschaft durch die Ehe mit der um fast 30 Jahre älteren Margarete legitimierte. Seine Herrschaft endete zunächst im Süden bei den Höhen der nördlichen Kalkalpen. Die Steiermark war von den Ungarn besetzt. Nach deren Vertreibung (1260) blieb Ottokar Herr über das gesamte babenbergische Erbe bis zu seinem gewaltsamen Ende. Entscheidende Machtfaktoren stellten zudem die mächtigen Landherren dar; das Verhältnis der Landesfürsten zu ihnen gestaltete sich wechselhaft, doch schließlich immer konfliktreicher.

Die wechselnde politische Lage spiegelt sich in der Geschichte der Kanzlei, oder – korrekter – der babenbergischen und ottokarischen Notare. Ihre [p. 276] Geschichte ist zudem ein verläßlicher Gradmesser für Machtstellung und -verfall der Landesfürsten. Die Quellenlage zu ihrer Erforschung ist nicht ungünstig: 386 Siegelurkunden sind von den letzten Babenbergern bekannt, 328 aus der donau- und alpenländischen Beurkundungstätigkeit Ottokars. Sie alle liegen in neueren und neuesten Editionen vor: Im Babenberger-Urkundenbuch9, im Codex diplomaticus Bohemiae10 und im Urkundenbuch der Steiermark11. Dazu kommen zu den heute noch unentbehrlichen Arbeiten von Mitis12 und Groß13 neuere kanzleigeschichtliche Untersuchungen von Fichtenau14, Šebánek und Duškova15. Trotz allem bleibt noch manche Frage offen.

Zunächst ein Überblick über das Material in chronologischer Hinsicht: naturgemäß fließt am Anfang von Regierungen oder in Zeiten fieberhafter politischer Aktivität der Urkundenstrom reichlicher. Nicht uninteressant ist auch die Verteilung auf Empfängergruppen, auf Österreich, Steier und Andere in [p. 277] babenbergischer, auf die ehemals babenbergischen und auf die böhmischen Länder in ottokarischer Zeit16:

Babenberger-Urkunden:

Jahre1198/9912000102030405060708091011121314
Empfänger:
österr.4314124133111
steir. (mit Traungau)317122212312412
andere41542221
gesamt114212932473664623
Jahre1215161718192021222324252627282930313233
Empfänger:
österr.133123411322249
steir. (mit Traungau)212312341254
andere22113512133361211
gesamt566251165263397364155
Jahre12343536373839404142434445464748Summe
Empfänger:
österr.341371646111108
steir. (mit Traungau)211410855612109
andere4328105411298
gesamt72811925191613131413316

[p. 278] Ottokar-Urkunden:

Jahre12474849505152535455565758596061626364
Empfänger:
böhm. Gruppe31441041269106848131297
österr. Gruppe14201098935131771034
gesamt3144242422151719913172520221211
Jahre126566676869707172737475767778Summe
Empfänger:
böhm. Gruppe727812861056111164233
österr. Gruppe11107324405581812174296
gesamt181214113648111513242328104529

Bei etwa einem Drittel aller Urkunden – dieser Prozentsatz bleibt während des gesamten Zeitraums annähernd konstant – handelt es sich um reine Empfängerausfertigungen; dem Rest ist man mehr oder minder Kanzleimäßigkeit zuzubilligen bereit. Daß Privilegien den höchsten Anteil an Kanzleimäßigkeit aufweisen – etwa die Hälfte aller ausgefertigten Stücke –, dürfte nicht überraschen.

Zur besseren Übersicht sei das Verhältnis von Kanzlei- und Empfängerausfertigungen17 sowie das der einzelnen diplomatischen Formen zueinander18 [p. 279] statistisch aufgelistet. Eine Statistik anhand des überlieferten Materials ist ein Wagnis; nicht nur der Zufall der Überlieferung ist in Rechnung zu stellen, auch die diplomatische Zuordnung ist angesichts der zahlreichen Mischformen oft nicht eindeutig zu treffen. Als signifikante Ergebnisse aus der Babenbergerzeit können genannt werden: das allmähliche Aufkommen der Nos-Urkunde, besonders seit 1242, sowie der Mandate. Das älteste Mandat ist zu 1219/29 zu datieren (BUB 215), die älteste Nos-Urkunde von angeblich 1232 für Lilienfeld (BUB 298) muß zu den Fälschungen aus habsburgischer Zeit gerechnet werden.

Jahre98/990001020304050607080910111213141516
Kanzlei83143213325122212
Empfänger311751233413434
andere11111
Jahre171819202122232425262728293031323334
Kanzlei3341131284436
Empfänger32163413113441021
andere112111421
Jahre3536373839404142434445464748Summe
Kanzlei141721191411111311183
Empfänger131112111106
andere111311229
Jahre4748495051525354555657585960616263Summe
Kanzlei3143651059104811510134111
Empfänger11819121089556201098140
Kanzlei Böhmen31436185563832810379
Kanzlei Österreich424418323132
Empfänger Böhmen143414431652644
Empfänger Österreich141689452551457296

[p. 280] Babenberger-Urkunden:

Jahre1198/9912000102030405060708091011
Priv. K.73144133341
Priv. E.2452212112
Briefe K.
Briefe E.1121
andere K.1
andere E.1111111
Nos-Urk. K.
Nos-Urk. E.
Jahre12121314151617181920212223242526
Priv. K.2211121412
Priv. E.112231132111
Briefe M.K.111
Briefe M.E.11
andere K.111
andere E.111121122
Nos-Urk. K.
Nos-Urk. E.
Jahre12272829303132333435363738394041
Priv. K.411224161616
Priv. E.13151111
Briefe M.K.13121143
Briefe M.E.131
andere K.311
andere E.1111211
Nos-Urk. K.111
Nos-Urk. E.1
Jahre12424344454647484951525355Summe
Priv. K.8871111211135
Priv. E.11158
Briefe M.K.21123
Briefe M.E.113
andere K.1111
andere E.11129
Nos-Urk. K.432221219
Nos-Urk. E.113

[p. 281] Ottokar-Urkunden:

Jahre4748495051525354555657585960616263Summe
Große B.K.342518546251169264
Große B.E.1331231161628
Große Ö.K.132232215
Große Ö.E.2242311541530
M. u. Briefe B.K.111115
M. u. Briefe B.E.221128
M. u. Briefe Ö.K.33
M. u. Briefe Ö.E.54141126125
Übrige B.K.1112212111
Übrige B.E.111317
Übrige Ö.K.4112131114
Übrige Ö.E.71033313432241
Jahre646566676869707172737475767778Summe
Feierl. Priv. B.K.131361174443491162
Feierl. Priv. B.E.22112102012003017
Feierl. Priv. Ö.K.15011151023000020
Feierl. Priv. Ö.E.02100041001010010
Nos-Urkunden B.K.01010000301403215
Nos-Urkunden B.E.0000000000000000
Nos-Urkunden Ö.K.111117122108541045
Nos-Urkunden Ö.E.00220670124150030
Mand. u. Briefe B.K.1000000010020004
Mand. u. Briefe B.E.2002001000012019
Mand. u. Briefe Ö.K.01220120211421019
Mand. u. Briefe Ö.E.014121080112250037
Übrige B.K.1100000020000004
Übrige B.E.0000000001010002
Übrige Ö.K.1100002001001107
Übrige Ö.E.0100001101000004
Priv. = Privilegien, M. = Mandate, B. = Böhmen, Ö. = Österreich, K. = Kanzlei, E. = Empfänger

Es ist im Rahmen dieses Überblicks nicht möglich, Diktateigenheiten zu analysieren; diesbezüglich sei auf die subtilen Untersuchungen von Groß, Mitis, Fichtenau, Šebánek und Dušková verwiesen. Der Angelpunkt der [p. 282] Kanzleimäßigkeit liegt nicht so sehr in einem u. U. durch ein Formelbuch vermittelten einheitlichen Diktat der landesfürstlichen Urkunden; er ist vielmehr in der Eigenart und in den Gewohnheiten der einzelnen Notare zu suchen. Ihre spezifische Karriere bestimmte im wesentlichen die Ausformung des „Kanzleidiktats‟ und seine Berührungspunkte mit anderen Kanzleien. Schon Mitis und Groß ist etwa die enge Verwandtschaft von babenbergischen mit passauischen Beurkundungsgewohnheiten aufgefallen.

Die vielfältigen Verflechtungen zwischen der Passauer und landesfürstlichen Kapelle, zwischen dem Dienst in der Finanzverwaltung, Diplomatie und Beurkundungsgeschäft lassen sich anhand von konkreten Lebensläufen schildern. Möglichkeiten, Tätigkeit und Entwicklung der Kanzlei soll an den Karrieren von vier Trägern des Namens Ulrich aufgezeigt werden:

Im Jahr 1193 bestätigte Herzog Leopold V. in Enns auf Bitten des Abtes von Seitenstetten seinen Ministerialen ausdrücklich das Recht, dem Kloster Seelgerätstiftungen zu machen. Auf der Plica der darüber ausgestellten Urkunde findet sich der Satz: Ego Vlricus sigillavi ex mandato domini Livpoldi ducis Austrie Styrieque presentem hanc paginam presente Hartungo camerario, der als eigenhändig angesehen wurde19. Dieser Satz, im gesamten babenbergischen Material singulär, würde den Anfang für den Brauch markieren, verantwortliche Notare namentlich zu nennen – wenn die Urkunde echt wäre.

Im echten Material scheint Ulrich zum erstenmal in einer Besitzbestätigung Herzog Friedrichs für Heiligenkreuz aus dem Jahre 1196 als Notar auf – und zwar gleich zweimal: unter den Zeugen und in der hier erstmals nachweisbaren Datum-per-manus Formel, die entgegen späterem Brauch als eine Art Nachtrag an das Ende der Datumzeile gerückt wurde20. Wer war nur dieser Ulrich? Wie auch später fast die Regel, wissen wir nichts über seine Herkunft. Verschiedentlich unternommene Versuche, ihn genealogisch einer der großen bayerischen oder schwäbischen Hochadelsfamilien (Andechser, Grafen [p. 283] v. Berg) zuzuordnen, sind gescheitert21. Adelige Abkunft ist allerdings nicht unwahrscheinlich. Über zwanzig Jahre lang war dieser vielseitige und gebildete Mann im Dienste des Landesfürsten tätig. Mit vorsichtiger Beziehung verschiedener Nennungen des nicht gerade seltenen Namens auf den Notar ergeben sich folgende Stationen seiner Karriere:

Seine Haupttätigkeit in der babenbergischen Kanzlei fiel in die Jahre 1196–1204; aus diesem Zeitraum konnten 23 Urkunden seinem Diktat zugeschrieben werden, 19 Stücke davon weisen die Dpm-Formel auf22. Bis 1215 als Notar nachzuweisen, trat die Tätigkeit in der Kanzlei zugunsten seiner Agenden als oberster landesfürstlicher Finanzbeamter in den Hintergrund23. Da die Sorge für das Beurkundungsgeschäft von der für die landesfürstlichen Finanzen nicht institutionell getrennt war, wurden auch die Begriffe scriba und notarius häufig synonym verwendet. Wie anders wäre es sonst zu verstehen, daß im Jahre 1222 der Bischof von Passau, Gebhard, seine von seinem Vorgänger übernommenen Schulden entweder dem herzoglichen Richter in Enns oder dem Notar in Wien (vel iudici suo in Anaso seu notario eius in Winna …) bezahlen sollte?24 Der Vorgänger Bischof Gebhards war niemand anderer als unser Notar Ulrich, der, seit etwa 1204 Pfarrer von Falkenstein, seit unbekannter Zeit auch Kanoniker von Passau, im Jahre 1215 gegen den heftigsten Widerstand des überwiegenden Teils des Domkapitels und der Passauer Bürgerschaft von Leopold VI. unter Mithilfe der Häupter der Christenheit als Bischof durchgesetzt werden konnte. Erst als Elekt empfing er die Priesterweihe25. Wenn Leopold VI. auch mit seinem Plan der Gründung eines Landesbistums [p. 284] in Wien gescheitert war26, so war ihm nun der umgekehrte Weg geglückt, wenigstens einen Mann seiner Wahl als Vorsteher der Diözese zu etablieren. Allein diese Zeit der im Sinne des Herzogs idealen Übereinstimmung bzw. Abhängigkeit währte nicht lange. Schon sechs Jahre später starb der Bischof auf der Rückkehr aus Ägypten, wohin er Subsidien gebracht hatte. Während des ägyptischen Unternehmens des Herzogs 1218/19 allerdings war er im Lande geblieben und hatte de facto die Regierung geführt, d.h. die Herzogin Theodora unterstützt. Man kann vermuten, daß die Einsetzung in das Amt des scriba mit den Kreuzzugsplänen des Herzogs in ursächlichem Zusammenhang stand, der für die Zeit seiner Abwesenheit die Verwaltung der herzoglichen Einkünfte in sicheren Händen wissen wollte27.

Seine Tätigkeit hat Ulrich sichtbare Wohlhabenheit beschert: aus einer Urkunde des Bischofs Manegold von Passau von 1214 (Juli 12, Passau) wissen wir, daß er ein Haus in Wien besaß, denn daneben ließ er eine Kapelle zu Ehren der heiligen Katharina erbauen, die er mit einem Weingarten in Grinzing bestiftete28.

Über die eigentliche materielle Grundlage der Notare werden wir etwas später hören, doch scheint Weingartenbesitz in Grinzing zur zusätzlichen Ausstattung der Notare vorgesehen gewesen zu sein. Dafür ein schönes Beispiel: Propst Marquard von Klosterneuburg gab im Jahr 1226 dem herzoglichen Notar Ulrich von Witzelsdorf (domino Vlrico domini ducis notario et in Wezlinsdorf tunc plebano) mehrere Weingärten in Grinzing und Umgebung, die vorher der magister Heinricus Zobelinus zu Leibgeding gehabt hatte, dann weitere Weingärten, deren Nutzgenuß dem magister Heinricus physicus, Ulrichs Amtsvorgänger und herzoglichem Leibarzt, zugeflossen war29.

[p. 285] Dieser Ulrich, seit 1227 Protonotar und scriba, ist der einzige babenbergische Notar, von dem wir ein Siegel kennen, das er allerdings offensichtlich in seiner Eigenschaft als Landschreiber geführt hat. Es hängt an zwei Göttweiger Urkunden30 und unter anderem auch an einem publicum instrumentum über einen Schiedsspruch aus dem Jahre 122731. Weitere Mitglieder des Schiedsgerichtes in einem Streit zwischen Reichersberg und den Herren von Ternberg waren Abt Walter von Melk, Propst Ulrich von St. Nikola als archidiaconus [p. 286] Austrie, Domdekan Chuno von Salzburg und Pfarrer Heinrich von Wien32.

Ulrich ist unter den von Bischof Gebhard von Passau abgesetzten österreichischen Pfarrern und Prälaten zu finden, gegen die der Bischof einen Prozeß angestrengt hatte, der vor delegierten Richtern (Bischof, Propst und Dekan von Prag) am 13. Dezember 1229 verhandelt wurde – allerdings ohne Ergebnis. Die in vieler Hinsicht bemerkenswerte Quelle wirft auch ein Licht auf die nicht eben zarten Umgangsformen der Klerisei. Die Prager hatten u.a. auch deswegen resigniert (d.h. den Prozeß an den päpstlichen Stuhl verwiesen), weil sie nicht einmal litterae citatoriae nach Österreich senden konnten, ohne um Gesundheit und Leben der Gesandten fürchten zu müssen: quidam clerici iam sint in vituperium dei et ecclesie Romane male tenti et viliter tractati et timemus eis in futurum etiam vite periculum imminere33. Weiter ist über diesen Fall nichts mehr überliefert; in der Mehrzahl dürften die „aufsässigen‟ Österreicher ihre Pfründen behalten haben. Zum Termin, der für die Verhandlung in Rom vorgesehen war, befand sich Leopold VI. bereits in Italien auf dem Wege zum Papst. Vermutlich hat er auch den Kirchenstreit bereinigt; es fehlt allerdings jede Quelle darüber.

Nach diesen und anderen Anzeichen zu schließen, dürfte sich der österreichische Klerus mit allen Finessen kanonischen Rechtes gewehrt haben, seine Prokuratoren waren aber abgelehnt worden. Daß man, wahrscheinlich sowohl aufseiten der Notare wie der geistlichen Empfänger, mit den neuesten Entwicklungen des Dekretalenrechtes wohl vertraut war, ist neuerdings von Hageneder aufgezeigt worden34. Damit im Zusammenhang sei auf den Magistertitel hingewiesen, den die Notare seit den Zwanzigerjahren des 13. Jahrhunderts fast in der Regel führten und der doch auf ein akademisches Studium zurückzuführen sein wird, sei es der Medizin, der Jurisprudenz oder von beidem35.

[p. 287] Unter den 1229 genannten aufmüpfigen Geistlichen der Passauer Diözese sind unter anderen genannt: der Wiener Schottenabt, der Propst von Klosterneuburg, der Abt von Kleinmariazell, die Pröpste von St. Andrä und St. Georgen (Herzogenburg), die Äbte von Göttweig, Altenburg, Melk, Seitenstetten …, die Dechanten in Enns, Krems und Herzogenburg, Magister Marquard von Ried, Magister Marquard, Pfarrer in Spitz, die Pfarrer Siegfried von Hainburg, Ulrich von Witzelsdorf, Eberhard von Lassee, Konrad von Rußbach, Marquard von Gars, Danielvon Alt-Pölla, Friedrich von Weitersfeld, Wernhard von Sitzendorf, Heinrich von Rappoltenkirchen, Rüdiger von Kilb, Reinbert von Asparn und Heinrich, Siegfried von Wels, Siboto von Gramastetten, von Fallbach, Ulrich von St. Andrä sowie die Wiener Pfarrgeistlichen Pernold, Erchenbold, Albert und Rapoto36.

Wir begegnen hier nicht nur dem Landesklerus, sondern auch Leuten, die an hervorragender Stelle in der Landesverwaltung, in der babenbergischen Kanzlei tätig waren, wie Konrad von Rußbach, dem vorhin besprochenen Protonotar Ulrich von Witzelsdorf, ferner Daniel von Pölla. Einen Großteil der genannten Pfarren kennen wir als Kanzleipfründen. Schon in einer Urkunde aus dem Jahre 1135 sind mehrere Pfarren genannt, auf deren Zehent der Bischof von Passau seinen Anspruch energisch anmeldete; darin scheinen bereits die Namen (Groß) Rußbach, Gars, (Alt) Pölla und Weitersfeld auf37. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Einkünfte aus diesen Pfarren zur Entlohnung für Kanzleitätigkeit dienten. Ja, innerhalb der unterschiedlich reichen Pfarren können wir eine gewisse Hierarchie feststellen; Gipfel der Karriere war es offensichtlich, Inhaber der Pfarre Probstdorf zu werden38. Bemerkenswert bleibt die Tatsache, daß eine Verfügung über die genannten Einkünfte unter unterschiedlichen Titeln sowohl dem Bischof von Passau wie dem Herzog von Österreich zustand. Ein Kandidat für eine solche Pfarrerstelle mußte daher mit beiden Gewalten ein gewisses Einvernehmen hergestellt haben; auch von diesem Gesichtspunkt aus wird die große Bedeutung des Nach- bzw. Nebeneinanders von passauischem und österreichisch-landesfürstlichem [p. 288] Dienst verständlich, die sich in vielen individuellen Lebensläufen feststellen läßt.

Betrachtet man die geographische Lage der Pfarrorte, so fällt das Fehlen im Kerngebiet des Landes, dagegen die Massierung an seinen nördlichen und östlichen Rändern auf39 – ein Indiz dafür, daß ihre Entstehung einer letzten Ausbauphase der Binnenorganisation des Landes angehört, zu einer Zeit, als landesfürstliche Macht bereits merklich als gestaltende Kraft der Organisation in Erscheinung trat. Mit Passau mußte von Fall zu Fall ein Arrangement getroffen werden; das spiegelt sich in urkundlichem Material reichlich wider. Von dieser Situation her wird erklärlich, daß die gleichzeitige Inhabung von Passauer Kanonikat und Kanzlei-Pfarr-Pfründe für die babenbergischen Notare fast zur Regel wurde. Eine Regel, die ihrerseits in der zeitweise sehr engen an der Papsturkunde orientierten Verwandtschaft zwischen passauischen und babenbergischen Beurkundungsgewohnheiten ihren Ausdruck fand; der Höhepunkt der Gemeinsamkeiten fällt in das letzte Jahrzehnt der Regierung Leopolds VI.40.

Auf einen augenfälligen Unterschied allerdings möchte ich hinweisen: der Bischof von Passau datierte nach eigenen Amtsjahren, der Herzog von Österreich nicht41.

Was über die Verbindung der österreichischen Notare mit Passau gesagt wurde, dürfte für die Steiermark auf die Verbindung mit Salzburg bzw. Sekkau zutreffen; sie läßt sich personengeschichtlich belegen, etwa an Propst Bernhard von St. Bartholomä in Friesach, der 1211–17 Notar in Salzburg war, der erzbischöflichen wie der herzoglichen Kapelle angehörte, und, wohl [p. 289] versorgt mit den Einkünften der Pfarre Fischau, für den Herzog eine allerdings erfolglose diplomatische Mission nach England unternahm42.

Noch ein kurzes Wort über die babenbergische Sekundogenitur, über eine Kanzlei des „Herzogs‟ Heinrich von Mödling und seines gleichnamigen Sohnes. Die Mödlinger verfügten über eine eigene Hofhaltung, eigene Ministerialen; ihr Einflußgebiet umfaßte große Teile des späteren Viertels unter dem Wienerwald43. Soweit die spärliche Überlieferung Anhaltspunkte bietet, überwiegt die Empfängerausfertigung. Immerhin ist als Kaplan und Notar Heinrichs des Älteren von Mödling der Pfarrer Walther von Gumpoldskirchen nachgewiesen44. In manchen Fällen ist an eine Mitwirkung des Pfarrers von Mödling bei der Beurkundung zu denken. Besonders Otto, seit den Zwanzigerjahren des 13. Jahrhunderts Inhaber der Mödlinger Pfarre, war nacheinander Kaplan Heinrich des Jüngeren von Mödling, der Herzogin Theodora und Friedrichs II., bevor er in der Kanzlei der Herzogin Gertrud, der Nichte des letzten Babenbergers, tätig wurde.

Herzogin Gertrud, ebenso in direkter Linie Nachkommin des ersten österreichischen Herzogs, Heinrich Jasomirgott, wie die Königin Margarete, hat sich zur Durchsetzung ihres Herrschaftsanspruches offensichtlich auf die Erbfolgebestimmungen des Privilegium minus berufen. Daß der Text des Privilegium minus an ihrem Hof bekannt war, geht aus der Verwendung der Minus-Arenga in einer Urkunde Gertruds für den steirischen Landschreiber Witigo aus dem Jahr 1255 hervor. Das Diktat dieser Urkunde stammt von Pfarrer Otto von Mödling45. Eine Beteiligung dieses Mannes an der Anfertigung [p. 290] der einzigen erhaltenen Abschrift des Privilegium minus nach dem Original ist mit guten Gründen vermutet worden46.

Mit diesen Feststellungen haben wir bereits einige Argumente im Kampf um das babenbergische Erbe berührt, die auch Anhaltspunkte für die Existenz eines landesfürstlich-babenbergischen Archivs liefern47. Daß die Parteiungen und die Trennung der Länder in verschiedene Einflußsphären Rückwirkungen auf die „Kanzlei‟ hatten, versteht sich von selbst:

Wer die Zeit des letzten Babenbergers und Ottokars erlebte, stand ständig vor Entscheidungen, konnte alles oder nichts erreichen. Ulrich, der offenbar hochbegabte Passauer Kanoniker und Pfarrer von Kirchberg, Archidiakon von Österreich, wurde nach einer beispielslosen Aktivität im Dienst Friedrich II. nach 1239 – er wird in den Jahren 1239–1244 nicht weniger als 47 mal genannt – auf Betreiben des Herzogs Bischof von Seckau, trat sein Amt aber erst nach dessen Tod an48. Wir finden ihn in keiner einzigen Urkunde der Herzogin Gertrud – er dürfte zwischen den Parteien laviert haben. Diese politische Haltung und seine zweifellose Tüchtigkeit empfahlen ihn als Kompromißkandidaten gegen den suspendierten Metropoliten, den Elekten Philipp von Spanheim, Bruder Herzog Ulbrichs von Kärnten und Vetter König Ottokars. Obwohl 1258 in Rom geweiht, konnte er sich im Erzbistum Salzburg nicht durchsetzen; nach wechselnden Schicksalen resignierte er in Erkenntnis seiner Machtlosigkeit (1264) und blieb in der Folge selbst im Bistum Seckau und im Besitz der Pfarre Piber nicht ungestört. Er starb 126849.

Ein weiteres Streiflicht aus der Zeit politischen Umbruchs: 1245 waren [p. 291] Protonotar Leopold und Notar Gottschalk nach Lyon zu Innozenz IV. gesandt worden, um wieder einmal wegen eines österreichischen Bistums zu verhandeln. Magister Leopold, Pfarrer von Wien, brachte als dilecti filii nobilis viri ducis Austrie protonotarius die Erlaubnis mit, noch eine zweite Pfarre innehaben zu dürfen50. Nach erfolgreichem Engagement im Dienste Margaretes und Hermanns von Baden 1250 plötzlich ohne fürstlichen Schutz, traf ihn die Verfügung des päpstlichen Legaten Konrad von St. Guido, daß die Wiener Pfarre wegen unerlaubter Pfründenakkumulation vakant sei. Das sei sie übrigens ipso iure wegen Leopolds defectus natalis, zudem sei er wegen Häresie, Mord, Ehebruch, Meineid und Simonie vor die Synode geladen51. Anders Gottschalk. Vielleicht als Pfarrer von Klamm Salzburger Notar, dann Notar Friedrichs II. und Pfarrer von Niederhollabrunn, war er möglicherweise an der Vermittlung der Ehe Gertruds mit Wladislaw beteiligt und diente Ottokar als Protonotar von dessen ersten Schritten in Österreich an. Sein Tod um 1255/56 bewahrte ihn vor weiteren Konflikten52.

[p. 292] Wenden wir uns nun kurz der Urkundentätigkeit König Ottokars in Österreich zu: in seinen ersten beiden österreichischen Jahren läßt ein unverhältnismäßig hoher Anteil an Empfängerausfertigungen auf eine gewisse Unsicherheit im Beurkundungsgeschäft schließen. Erst nach 1254 (Frieden von Ofen), als die Machtverhältnisse zunächst geklärt waren, setzte die Pflege alter babenbergischer Kanzleitraditionen wieder ein, verkörpert durch den bereits genannten Notar Gottschalk und durch Arnold, der besonders 1254–1263 hervortritt und schon in der Kanzlei König Wenzels tätig war. Daß er aus Österreich stammte, konnten Šebánek und Dušková aufgrund subtiler paläographischer und Diktatanalysen feststellen53.

Zum Inbegriff selbständiger österreichischer Kanzleitradition in ottokarischer Zeit wurde jedoch Magister Ulrich, Exponent einer österreichischen Kanzleiabteilung König Ottokars – der letzte der in diesem Überblick genannten Ulriche –, der vielleicht aus Bayern stammte54. Jedenfalls begann er seine Karriere als Kanoniker von Freising und Prokurator des Freisinger Bischofs sowie als Kanoniker von Passau. Unter Umständen war er identisch mit einem 1240 genannten Notar des Herzogs Otto von Bayern55. 1259 wurde er Pfarrer von Probstdorf und ist seit dieser Zeit neben Arnold häufig als Notar/Protonotar Ottokars genannt. 1260 wurde er notarius Stirie und avancierte seit 1264 zum Kanzleichef für österreichische Belange neben dem Kanzler Peter56. Wie kein anderer zuvor akkumulierte er Pfründen: er war Pfarrer von Herrnstein, Probstdorf, Hartberg, Piber und Wien. An der Urkundenexpedition dieses Mannes läßt sich Höhepunkt und allmählicher Machtverlust Ottokars in den babenbergischen Ländern ablesen: 39 Urkunden wurden von ihm ausgehändigt, die meisten stammen aus den Jahren 1267–1270. In dieser Zeit wird er allein in allen Urkunden für österreichische [p. 293] Empfänger genannt57. Nach 1271 und vollends nach 1273 wurde es still um ihn – ein signifikantes Zeichen für Ottokars Machtverlust. Ulrich nahm an den Friedensverhandlungen mit König Rudolf 1276 teil; daß Ottokar seine Parteigänger bzw. ausführenden Organe zu schützen suchte, zeigt deutlich die Bestimmung des Wiener Vertrages vom 26. November 1276, nach der den Pfarrern die Beibehaltung ihrer Pfründen zugesichert wurde58. Trotzdem dürfte der Kanzleileiter alsbald die Wiener Pfarre verloren haben59; er war weiterhin als Unterhändler für König Ottokar tätig, doch erst 1279 verstummen die Nachrichten über ihn gänzlich60.

Mit dem Ende seiner Tätigkeit erlischt eine in mehreren Generationen langsam eingeübte Beurkundungstradition, für die vor allem persönliche Unterweisung durch die Notare maßgebend war. Zu den Besitztümern der Notare dürften allerdings auch vom Vorgänger überlieferte und selbst gesammelte Textierungen für bestimmte Inhalte gezählt haben; für die Verleihung der weltlichen Gerichtsbarkeit zum Beispiel ist ein Formularbehelf [p. 294] nachzuweisen61. Ein eigentliches Kanzleiformular für verschiedene Betreffe existierte nicht, es gab keine Kanzleivermerke, kein Register. Auch aus der Tätigkeit der Notare in der Finanzverwaltung sind sehr lange keine unmittelbaren schriftlichen Spuren überliefert – die Anlage eines landesfürstlichen Urbars fällt erst in ottokarische und habsburgische Zeit, eine Zeit, in der ein völlig neuer Kanzleistil eingeführt wurde, der einheimische Traditionen kaum berücksichtigte62.

Vergegenwärtigen wir uns noch einmal das österreichische ottokarische Material anhand der Zusammenstellungen von Šebánek und Dušková, so ergibt sich darin im Gegensatz zum böhmischen Material eine auffallende Mehrheit von einfachen Formen. Besonders das Verhältnis der Nos-Urkunden 75: 15 gibt zu denken63. Bei den feierlichen Privilegien dagegen ist das Verhältnis umgekehrt – 30: 79.

Damit sei abschließend die Frage nach dem Problem der Fortschrittlichkeit gestellt. Für die babenbergischen Länder ergibt sich zwar, daß manche bisher herangezogenen frühen specimina einer besonderen Kanzleitradition sich als Fälschung erwiesen haben und damit die Urkundenausfertigung österreichischer Landesfürsten nicht in der ersten Reihe der Rezeption neuer Gewohnheiten steht. Dennoch: die vielleicht aus der Not geborene Reduktion der Formen, entstanden in einer Zeit schwacher Zentralgewalt und damit ohne Notwendigkeit zu fürstlicher Repräsentation, hatte Zukunft. Fortschrittlichkeit läßt sich so feststellen nicht aufgrund des Wollens der Zeitgenossen, sondern aus der Kenntnis der weiteren Entwicklung und in der Beurteilung späterer Forschung.

Tafel VIII. Siegel des Notars und Landschreibers Ulrich, Pfarrers von Witzelsdorf, an einer Ausgleichsurkunde zwischen Abt Heinrich von Göttweig und dem genannten Landschreiber vom 7. Juni 1232, Edd. vgl. Anm. 31. Ungefärbtes Wachs, 50x33 mm, an gelb-violetter Seide.
Umschrift: + SIGILLV(M) VLRICI SCRIBE
Or.: Göttweig, Stiftsarchiv
Photo: Göttweig, Stiftsarchiv64
Tafel IX
Tafel X

[p. 295] Abkürzungen

  • AD = Archiv für Diplomatik

  • AföG = Archiv für österreichische Geschichte

  • BUB = Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Österreich, vgl. Anm. 9

  • CCl = Codex Claustroneoburgensis

  • CDB = Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae, vgl. Anm. 10

  • DA = Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters

  • FRA II = Fontes rerum Austriacarum, II. Abt.: Diplomataria et acta

  • MG Const. = Monumenta Germaniae Historica, Constitutiones

  • MG SS = Monumenta Germaniae Historica, Scriptores

  • MIÖG = Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung

  • MÖSTA = Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs

  • N.F. = Neue Folge

  • NÖ = Niederösterreich

  • StUB = Urkundenbuch der STEIERMARK, VGL. Anm. 11

  • UB = Urkundenbuch

  • UBoE = Urkundenbuch des Landes ob der Enns


1 Hans Walter Klewitz, Cancellaria. Ein Beitrag zur Geschichte des geistlichen Hofdienstes. DA 1 (1937) 44–79, bes. 56 ff., 77.

2 Es scheint eine stillschweigende Übereinkunft darüber geherrscht zu haben, daß ein Kanzler nur der königlichen Hofhaltung zukomme. Erst als die österreichischen Landesfürsten königsgleichen Rang beanspruchten, taucht der Kanzler auf, vgl. Winfried Stelzer in diesem Band, 303 ff. Zum böhmischen Kanzler Ottokars vgl. die unten Anm. 15 genannten Arbeiten von Šebánek und Dušková.

3 Der Begriff notarius begegnet im babenbergischen Material erstmals in einer Urkunde von 1196, vgl. unten Anm. 20, protonotarius 1217, BUB II 206 (unter den Zeugen: Heinricus protonotarius ducis). Capellani dagegen sind bereits in den Dreißigerjahren des 12. Jahrhunderts überliefert (vgl. etwa FRA II 4 n. 119/20 = FRA II 87 n. 1107), während capella immer nur auf die Baulichkeit bezogen wird, vgl. die Glossare zu BUB I (S. 337) und II (S. 428). Über die babenbergische Kapelle bereite ich eine größere Arbeit vor.

4 Der erste Beleg für scriba 1216, BUB II 203 (unter den Zeugen: Heinricus Patauiensis canonicus et scriba noster), scriptor findet sich im echten babenbergischen Material nur zweimal: 1217 für Viktring, wo sich der Schreiber Ortolf unter den Zeugen nennt (BUB II 210), und 1221 für Klosterneuburg (BUB II 235, an letzter Stelle einer umfangreichen Zeugenreihe: Wisinto scriptor). Der Begriff scriba bezeichnete sehr bald den Schreiber der landesfürstlichen Einkünfte, den Landschreiber, ein Amt, das wesentlich früher als das des Notars auch von Laien bekleidet wurde. Eine Zusammenstellung der Nennungen bei Alfons Dopsch, Beiträge zur Geschichte der Finanzverwaltung Österreichs im 13. Jahrhundert. II. Die Organisation der landesfürstlichen Finanzverwaltung. Das Landschreiber- und Hubmeisteramt insbesondere. MIÖG 18 (1897) 233–340, bes. 247 ff. Vgl. auch unten Anm. 22.

5 BUB I 168 (bestätigt BUB II 287) für Lilienfeld 1209, von einer Heiligenkreuzer Hand, die öfter Zisterzienserurkunden schrieb: hier ist ganz allgemein von consiliarii et ministeriales die Rede.

6 BUB II 431, eine Übersetzung des Hainburger Stadtrechtes von 1244, unter den Zeugen: maister Leupold pharrer ze Wienn, unser obrister schreiber; ähnlich wird in der Übersetzung des Salzburger Lehensbekenntnisses Friedrichs II. (BUB II 396; 1242) der Notar Magister Gottschalk zu maister Gotschalkchen schreiber. Über diesen vgl. unten 291.

7 In der im 15. Jahrhundert angefertigten Urkunde Herzog Friedrichs für Siegfried von Perchtoldsdorf (BUB II 297) von angeblich 1232 heißt es: datum … per magistrum Stephanum plebanum in Schrembs secretarium et scriptorem nostrum

8 Einen Überblick über die erwähnten historischen Ereignisse bieten Georg Juritsch, Geschichte der Babenberger und ihrer Länder (976–1246). (Innsbruck 1894), Karl Lechner, Die Babenberger. Markgrafen und Herzoge von Österreich 976–1246 (= Veröffentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 23, Wien-Köln-Graz 1976), Ottokar Lorenz, Geschichte König Ottokars II. von Böhmen und seine Zeit (Wien 1866), Hans Pirchegger, Geschichte der Steiermark bis 1282 (2Graz-Wien-Leipzig 1939), Heinz Dopsch (Hrsg.), Geschichte Salzburgs. Stadt und Land. 1 (1981), August v. Jaksch, Geschichte Kärntens bis 1335, 2 Bde. (Klagenfurt 1928–29). Vgl. ferner die Jahrbücher für Landeskunde von Niederösterreich N.F. 42 (1976, Babenberger-Forschungen), 44/45 (1978/79, Ottokar-Forschungen). Vgl. ferner die Verwandtschaftstafel unten 297 auf der Grundlage der Babenberger-Stammtafel K. Lechners (Babenberger, nach 478) mit eigenen Änderungen und Ergänzungen.

9 Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Österreich, vorber. v. Oskar Frh. v. Mitis, Bd. I, II: Die Siegelurkunden der Babenberger, bearb. v. Heinrich Fichtenau und Erich Zöllner, Bd. III: Die Siegel der Babenberger, v. Oskar Frh. v. Mitis, erg. und mit einer Einleitung versehen v. Franz Gall (= Publikationen des Instituts f. österreichische Geschichtsforschung, hrsg. v. Leo Santifaller, III/1–3, Wien 1950–55, 1954).

10 Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae, condidit Gustavus Friedrich, Tomi IV 1 (1241–1253), 2 (Indices, Exempla scripturae, Sigilla, Concordantiae), V 1 (1253–1266), 2 (1267–1278), 3 (1253–1278) (Acta complementaria regestorum ratione), ed. Jindřich Šebánek et Sáša Dušková (Pragae 1962, 1965, 1974, 1981–82). Diese großangelegte Edition wird mit Vorliegen des Registers zu Bd. V abgeschlossen sein.

11 Urkundenbuch des Herzogtums Steiermark IV (1260–1276). Unter der Leitung von Heinrich Appelt m. Benützung der Vorarbeiten v. Heinrich Appelt und Berthold Sutter bearb. v. Gerhard Pferschy (Wien 1975). Aus der Ungarnzeit in Steier ist keine Urkunde König Bélas IV. für einen steirischen Empfänger erhalten, von dem iunior rex und Herzog von Steier, Stephan, nur sechs Stücke, vgl. Urkundenbuch des Herzogtums Steiermark III (1246–1260), bearb. v. Josef. v. Zahn (Graz 1903), nn. 233 (1257), 269, 271–274 (1259).

12 Oskar Frh. v. Mitis, Studien zum älteren österreichischen Urkundenwesen (Wien 1912).

13 Lothar Groß, Über das Urkundenwesen der Bischöfe von Passau im 12. und 13. Jahrhundert. MIÖG Erg.-Bd. 8 (1911) 505–673.

14 Heinrich Fichtenau, Die Kanzlei der letzten Babenberger. MIÖG 56 (1948) 239–286; überarbeiteter Neudruck in: Ders., Beiträge zur Mediävistik. Ausgewählte Aufsätze. 2 (Stuttgart 1977) 212–257. Die folgenden Zitate aus dieser Arbeit beziehen sich auf die Neufassung.

15 Jindřich Šebánek, Zum österreichischen Urkundenwesen Ottokars II. in den Jahren 1251–1253. MIÖG 72 (1964) 110–121, Jindřich Šebánek – Sáša Dušková, Das Urkundenwesen König Ottokars II. von Böhmen, I (1247–1263), II (1264–1278). AD 14 (1968) 302–422; 15 (1969) 251–424.

16 Die Grundlage für die Statistik des babenbergischen Materials bilden die in BUB I, II gedruckten Siegelurkunden; die Statistiken der Jahre 1251–1263 bzw. 1264–78 sind Šebánek-Dušková, Urkundenwesen I 411 Tab. 1 bzw. II 376 entnommen.

17 Die Statistik der Babenbergerurkunden erfolgte nach eigenen Zusammenstellungen; es erwies sich als notwendig, noch eine dritte Komponente zu berücksichtigen: Ausstellung durch Dritte. Besonders ist in diesem Zusammenhang auf einen Heiligenkreuzer Schreiber hinzuweisen, der für mehrere österreichische Zisterzienserklöster Urkunden schrieb, vgl. zusammenfassend Fichtenau, Kanzlei 221 f. Die Aufstellungen der ottokarischen Urkunden sind Šebánek-Dušková, Urkundenwesen I, 414 Tab. 2, Urkundenwesen II, 392, Tab., entnommen.

18 Bezüglich der babenbergischen Stücke gilt das Anm. 17 Bemerkte; die Belege aus Ottokarischer Zeit: Šebánek-Dušková, Urkundenwesen I, 420 Tab. 5, II 393, Tab. Bei genauer Durchsicht des ihnen zugrundeliegenden Materials ist eine Relativierung der vorgelegten Statistiken unumgänglich; nehmen sie doch keine Rücksicht auf die vielen feinen Übergänge von reiner Kanzleiausfertigung zu einem Zusammenwirken mehrerer Faktoren beim Zustandekommen des Textes bis zum reinen Empfängerdiktat. Es läßt sich daraus nicht entnehmen, ob die Zuweisung aufgrund einer charakteristischen Wendung in der Arenga oder aufgrund der Nennung des ausfertigenden Notars erfolgt ist. Trotzdem scheint mir die sparsame statistische Auflistung für die Zwecke der hier gebotenen knappen Zusammenfassung aussagekräftig.

19 BUB I 87. Abb.: Anton Chroust, Monumenta palaeographica II 16, Taf. 10 a. In der Edition wird das Stück als Empfängerausfertigung charakterisiert, doch sprechen zahlreiche Momente gegen seine Echtheit; wahrscheinlich wurde es in Kenntnis von BUB I 134 (1203, für Seitenstetten) angefertigt; eine Detailuntersuchung ist in Vorbereitung. Auf die Problematik des Seitenstettner Materials hat Heinrich Koller hingewiesen: Die Gründungsurkunden für Seitenstetten. Zugleich ein Beitrag zu den Anfängen des Herzogtums Österreich. AD 16 (1970) 51–141, doch sind seine Thesen noch kaum diskutiert worden.

20 BUB I 96 (1196 April 23): Ulrich wird erster geistlicher Zeuge nach einer Reihe von Ministerialen genannt, ihm folgen noch Ulrich, Pfarrer von Zwettl, und der Kaplan Konrad. Die Datumzeile: Dat. est anno … in eadem domo Sanctae Crucis per manus Vlrici notarii.

21 Fichtenau, Kanzlei 229 ff., über sein Diktat Mitis, Studien 385–388.

22 Die datum-per-manus-Formel weisen folgende Stücke auf (von der oben Anm. 20 genannten Urkunde abgesehen): BUB I 98, 100, 110, 111, 113, 114, 116, 132, 145, 147, 162, 166, 167, 168, 173, 181, 183, 188, 189, 196.

23 Es fällt auf, daß Ulrich in keiner Babenbergerurkunde als scriba bezeichnet wird, überliefert ist in Abschrift eine Urkunde des Bischofs Manegold von Passau vom 9. Dezember 1213, deren Subscriptio lautet: Ego Ulricus scriba ducis Austrie et canonicus Pataviensis subscribo (UB des aufgehobenen Chorherrenstiftes Sanct Pölten 1, ed. Josef Lampel, Wien 1891 (= N.Ö. UB I/1), n. 24), ferner heißt es in den Garstener Annalen zum Jahr 1215: Uodalricus scriba ducis Austrie Everdinge eligitur in contradictione (MG SS IX 595). Beide Stellen sind nicht völlig beweiskräftig; bei der Annalenstelle wäre eine Verwechslung mit Ulrich von Witzelsdorf denkbar. Vgl. unten 285 f.

24 BUB II 243 (1222 Juli 6, Kierling). Die Schulden waren nicht unbeträchtlich: 600 Mk. Silber und 80 Mark Gold Wiener Gewicht. Es scheint, daß der Herzog seinen einstigen Protonotar nicht unerheblich finanziell unterstützt hat, damit dieser seine Schwierigkeiten in Passau meistern konnte.

25 Vgl. Josef Oswald, Das alte Passauer Domkapitel (München 1933) 69 f. Anm. 8 die Quellenbelege über den turbulenten Anfang Ulrichs als Bischof. Über seine Zugehörigkeit zum Passauer Domkapitel 1192–1215 ebd. 52 f. m. Anm. 1, 5.

26 Hermann Krabbo, Die Versuche der Babenberger zur Gründung einer Landeskirche in Österreich. AfÖG 93 (1905) 1–40, bes. 15 ff., Herta Hageneder, Die Beziehungen der Babenberger zur Kurie in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. MIÖG 75 (1967) 2 f., Lechner, Babenberger 200 ff.

27 Über die verschiedenen Kreuzzüge und Kreuzzugspläne Leopolds VI. kurz Lechner, Babenberger 197 ff., über die Rolle Ulrichs Fichtenau, Kanzlei 231.

28 Quellen zur Geschichte der Stadt Wien I/1 (1895) n. 717: Bischof Manegold von Passau bestätigt, daß confrater noster Patauiensis ecclesie canonicus, ducis Austrie et Stirie prothonotarius Ulrich mit Zustimmung des Pfarrers Sighard von Wien eine Kapelle zu Ehren der hl. Katharina neben seinem Haus gebaut und mit angegebenen Einkünften (Weingarten in Grinzing, der jährlich 3 Fuder Wein liefert) bestiftet habe, verleiht dem Ulrich das Präsentationsrecht eines Priesters und genehmigt die Entschädigung des Wiener Pfarrers durch den Stifter.

29 BUB II 258; über Ulrich vgl. Fichtenau, Kanzlei 242 f. Heinrich Zobelinus war Passauer Kanoniker ebenso wie Heinricus scriba, beide Zeugen in der oben Anm. 24 genannten Urkunde Bischof Gebhards von Passau. Sie sind in den Quellen oft schwer zu unterscheiden. Heinricus scriba, Notar und Protonotar des Herzogs, Pfarrer von Retz, dann von Probstdorf, ist identisch mit dem Leibarzt, vgl. Michael Mitterauer, Magister Heinricus phisicus, Protonotar Herzog Leopolds VI. Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg N.F. 3 (1963) 49–62 und Fichtenau, Kanzlei 235–237. Zwischen etwa 1200 und 1225 sind mehrere herzogliche Kapläne mit Namen Heinrich bekannt, Pfarrer von Graz, von Mistelbach, von Buchbach; von Pettau, scriba Styrie, deren Identität nicht in allen Fällen sicher abzugrenzen ist. Magister Heinricus physicus war nicht der einzige Arzt, der auch als Notar tätig war; ein in Urkunden Friedrichs II. als Symon phisicus(noster) genannter Zeuge (BUB II 351; 1240 Jänner 31, 355; 1240 März 27) taucht ein Vierteljahrhundert später als Notar der Königin Margarete auf, allerdings ohne Nennung seines Arztberufs; die Identität ist daher nicht völlig sicher, vgl. BUB II 464 (1264: Symon notarius), FRA II 81 (Gerhard Winner, Die Urkunden des Zisterzienserstiftes Lilienfeld 1111–1892) n. 63: Symon notarius der Königin.

30 Fichtenau, Kanzlei 242 f. Es fällt auf, daß Ulrich als domini ducis notarius (BUB II 258), als magister Ulricus protonotarius ducis Austrie (UBoE II S. 665 n. 459) bezeichnet wird, während die scriba- bzw. scriba Austrie-Nennungen (unten Anm. 31, 32) nur den Bereich bezeichnen, nicht die Zuordnung zu der Person des Herzogs, vgl. bes. Dopsch, Finanzverwaltung 249 f., neuerdings Max Weltin, Kammergut und Territorium. Die Herrschaft Steyr als Beispiel landesfürstlicher Verwaltungsorganisation im 13. und 14. Jahrhundert. MÖSTA 26 (1973) 1–55, bes. 10 f., 13, 18. Die Bezeichnung notarius Austrie dagegen findet sich erst in ottokarischer Zeit (CDB IV 428: magister Gottschalcus notarius Austrie). Meines Erachtens hängt die Bereichsbezeichnung mit der Teilung der Zuständigkeiten, mit der Notwendigkeit zur Unterscheidung zusammen; es gab eben nicht nur einen scriba, sondern scribae Austrie, Styrie, Marchie, Anaso … und erst als notarii für bestimmte Empfängergruppen zuständig waren, wurde ihr Zuständigkeitsbereich angegeben.

31 BUB II 300 = FRA II 51 n. 105 (1232 Juni 7): Abt Heinrich und der Konvent von Göttweig überlassen dem dominus Vlricus plebanus de Wizilinsdorf tunc scriba Austrie Zehentrechte, die er bereits widerrechtlich besaß, gegen anderweitige Entschädigung; FRA II 51 n. 107 (dat. 1232 Wien, Schottenstift, dürfte wegen der Zeugennennungen gleichzeitig mit der ersten Urkunde sein): Eine Richardis gibt einen Weingarten zu Chorherren presentibus … notario domini ducis domino Vlrico de Wizleinstorf …; neben Ulrich siegelt noch der Schottenabt. Das spitzovale Siegel zeigt eine Schwurhand, an beiden Seiten je einen Stern, darunter ein Monogramm: ?? Umschrift: + SIGILLV(M). VLRICI SCRIBE. Abb.: BUB III S. 102 n. 99. Vgl. auch die dieser Arbeit beigegebene Abb. Ulrich wird in zwei weiteren Babenbergerurkunden für Göttweig als scriba bezeichnet (BUB II 295, 1232 März 3, l.c. 296, 1232 März 23). Auffällig, daß die Beifügung von scriba nur in Göttweiger Betreffen zu finden ist.

32 UBoE II 665 n. 459 (1227 Mai 11, Wien). Von den ursprünglich sechs Siegeln sind nur mehr drei erhalten, das des magister Ulricus protonotarius ducis Austrie befindet sich nicht darunter. Daß die Vorfälle von 1229 keinen Verlust der Pfarrpfründe nach sich zogen, zeigt BUB 319 vom 7. Dez. 1234, worin Ulricus de Wezelinsdorf, qui fuit nuncius huius facti, genannt wird.

33 UBoE II (1856) 680 n. 473 = CDB II (1912, ed. Gustavus Friedrich) 338 n. 331. Vgl. Mitis, Studien 120 f., erw. auch bei Othmar Hageneder, Die geistliche Gerichtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich von den Anfängen bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts (= Forschungen zur Geschichte Oberösterreichs 10, 1967) 33.

34 Othmar Hageneder, Lehensvogtei und Defensorenamt in den babenbergischen Herzogsurkunden. Jahrb. f. Landeskunde v. NÖ.N.F. 42 (1976) 70–94, bes. 91 f.

35 Vgl. zum Begriffswandel Rainer M. Herkenrath, Studien zum Magistertitel in der frühen Stauferzeit. MIÖG 88 (1980) 3–35. Eine Übersicht über die seit dem Ende des 12. Jahrhunderts sprunghaft anwachsende kanonistische Literatur bei Winfried Stelzer, Gelehrtes Recht im spätbabenbergischen Österreich, Jahrb. wie Anm. 34, 255–275.

36 Über diese in vielfacher Hinsicht interessante, bisher wenig beachtete Urkunde bereite ich eine eigene Arbeit vor, die besonders den formalen und den landeskirchlichen Aspekt beleuchten wird.

37 BUB IV 1 n. 674. Vgl. Heide Dienst, Niederösterreichische Pfarren im Spannungsfeld zwischen Bischof und Markgraf nach dem Ende des Investiturstreites. MÖSTA 34 (1981) 1–44.

38 Fichtenau, Kanzei 216.

39 Vgl. die Karte im Anhang. Unterstrichen wurden die Pfarrorte, die als sehr häufig in Anspruch genommene Kanzleipfründen festgestellt wurden. Auffallend ist das Überwiegen von niederösterreichischen Pfarren gegenüber den wenigen steirischen Pfründen.

40 Vgl. Groß, Urkundenwesen 597 ff., Mitis, Studien 389 ff. und passim, über die personelle Seite bes. Oswald, Domkapitel 52 ff. mit den Anm. 1 und 5 und die materialreiche Arbeit von Ludwig Hans Krick, Das ehemalige Domstift Passau und die ehemaligen Kollegiatstifte des Bistums Passau (Passau 1922) 20 ff., dazu neuerdings Siegfried Haider, Das bischöfliche Kapellanat, Bd. 1: Von den Anfängen bis in das 13. Jahrhundert. MIÖG Erg.-Bd. 25 (1977) 127–148, 199–209.

41 Groß, Urkundenwesen 606 ff., Die Babenberger datieren mitunter nach Herrscherjahren; jedenfalls ein Indiz für ihre politische Einstellung: der meist stauferfreundliche Leopold VI. datierte sogleich nach Philipps Ermordung nach den Jahren Ottos IV., vgl. BUB I 162 (1208 Okt. 15: anno vero imperii cesaris Ottonis primo – eine Schwierigkeit ergibt sich durch die Tatsache, daß Otto erst am 4. Oktober 1209 zum Kaiser gekrönt worden ist. Sie fällt m. E. nicht allzusehr ins Gewicht, weil caesar nicht sosehr ein Synonym für imperator darstellt, sondern allgemein „Herrscher‟ meint, so wird etwa 1108 Heinrich V. als caesar bezeichnet, FRA II 4 n. 116 = 87 n. 104*).

42 Vgl. Erich Zöllner, Das Projekt einer babenbergischen Heirat König Heinrichs III. von England. AfÖG 125 (1966) 54–75.

43 Über die Mödlinger vgl. Franz Gall, Die „Herzoge‟ von Mödling, AföG 120 (1954) 3–44. Während Heinrich d. Ältere und seine Gemahlin, die Přemyslidin Richza, Klosterneuburg zu ihrem Begräbnisplatz wählten, verlagerte sich der geistliche Mittelpunkt in der nächsten Generation nach Heiligenkreuz.

44 BUB I 89, II 228 von 1220 Juli 10: Data in Gumpoldeschirchen per manus Waltheri plebani de Gumpoldeschirchen tunc notarii. Vgl. auch Anm. 45.

45 BUB II n. 457 (1255 Jänner 10, Voitsberg); vgl. die Nennung des Otto plebanus de Medelich notarius noster in der Zeugenreihe einer Gertrud-Urkunde vom 6. Feber 1251, BUB II n. 453. Seinem Diktat, unter Umständen seiner Schrift, sind ferner BUB II 448, 456, 460 zuzuweisen, vgl. Fichtenau, Kanzlei 252. Kaplan Heinrich des Jüngeren von Mödling: BUB II 245, 307, der Herzogin Theodora: BUB II 293, 305, Herzog Friedrichs: BUB II 336, 365, 366, in den letzten beiden Urkunden als Otto notarius bezeichnet. Nach Ottos Tod um 1260/61 ist ein Meinhard als Kaplan Gertruds bezeugt (BUB II 461, 463).

46 Vgl. MG DF I. 151 mit Vorbemerkung, dazu zusammenfassend Heinrich Appelt, Privilegium minus (Böhlau-Quellenbuch, 1973) 20 ff. Da der Text der Privilegium-minus-Abschrift im heutigen Klosterneuburger Codex 929 gegenüber dem der Urkunde von 1255 eine zwar verwandte, aber kürzere Arenga bietet, ist das Verhältnis der beiden Texte nicht so klar zu bestimmen, wie es lange versucht wurde. Es wäre möglich, daß CCl 929 ursprünglich in Heiligenkreuz zusammengestellt worden ist, vgl. Heide Dienst, Der Grazer Vertrag von 1225 zwischen Herzog Leopold VI. von Österreich und Steier und König Andreas II. von Ungarn, MIÖG 90 (1982) 1 ff., 42.

47 Auf den wesentlichsten Urkunden, die die Babenberger betrafen, wurden bereits um 1180 Archivvermerke angebracht, Mitis, Studien 260 ff., dazu kurz Heinrich Fichtenau, Das österreichische Urkundenwesen von den Anfängen bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts. MIÖG Erg. Bd. 23 (1975) 242. Das Archiv lag ursprünglich in Klosterneuburg, wurde aber in den kritischen Jahren 1238/39 auf die Burg Starhemberg verlagert.

48 Fichtenau, Kanzlei 246 f.

49 Fichtenau, Kanzlei 246–50, Heinz Dopsch, Premysl Ottokar II. und das Erzstift Salzburg, Jahrbuch f. Landeskunde v. NÖ.N.F. 44/45 (1978/79) 470–508, bes. 483–487.

50 Reg. Inn. IV. n. 1047, AföG 93, 39 n. 2, Quellen z. Gesch. d. Stadt Wien I/1 n. 200; über Leopold allgemein Fichtenau, Kanzlei 244 ff. Bei der zweiten Pfarre könnte es sich um Stadlau gehandelt haben. Die „Pfründenstationen‟ Leopolds: Probstdorf (belegt 1239) – Wien (ab 1240). Gleichzeitig lebte ein Leopold, Pfarrer von Hainburg. Gottschalk, Leopolds Begleiter nach Lyon, wurde zusätzlich zu seiner Pfründe Nieder-Hollabrunn auch Inhaber der salzburgischen Pfarre Klamm, Hageneder, Beziehungen 4. Am 7. Dezember 1249 noch wurde Leopold von Wien auf Bitten des Herzogs Hermann unter die päpstlichen Kapläne aufgenommen, s. Albert Starzer – Oswald Redlich, Eine Wiener Briefsammlung zur Geschichte des Deutschen Reiches und der österreichischen Länder in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts (= Mitt. aus dem Vaticanischen Archiv 2, 1894) 3 n. 3, dazu Hageneder, Beziehungen 23.

51 Quellen zur Geschichte der Stadt Wien I/1 n. 2: Konrad von St. Guido teilt als päpstlicher Legat allen Rittern und Bürgern von Wien mit, daß er folgende Bestimmungen erlassen habe: 1. kein Geistlicher dürfe mehrere Kirchen oder Dignitäten in seiner Hand vereinigen, 2. Kinder von Klerikern und andere unehelich Geborene können keine Pfründe besitzen. Daraus folgen die oben angeführten Bestimmungen bezüglich des Pfarrers Leopold. Dieses Beispiel von Aufstieg und Fall zeigt, daß im Gegensatz zu der Zeit, als ein schreibgewandter adeliger Angehöriger eines Klosters die herzoglichen Urkunden verfaßte, nun diese Tätigkeit in den Händen nichtadeliger Akademiker lag, die in wesentlich höherem Maß von der politischen Konstellation und der Gunst ihres Arbeitgebers abhängig waren. Niedere Herkunft und uneheliche Geburt stellten solange keine Karrierehindernisse dar, als der Kleriker einen mächtigen Herrn hinter sich hatte. Uneheliche Geburt war bei Angehörigen dieser Schicht nicht selten, wie die zahlreichen diesbezüglichen päpstlichen Dispense zeigen, vgl. die Beispiele bei Hageneder, Beziehungen 4.

52 Fichtenau, Kanzlei 250; Šebánek, Österr. Urkundenwesen 117 ff., Šebánek-Dušková, Urkundenwesen I, 314 ff.

53 Šebánek, Österr. Urkundenwesen 112 ff., Šebánek-Dušková, Urkundenwesen I, 316–330.

54 alle Daten vgl. Šebánek-Dušková, Urkundenwesen I, 364 ff., II, 349–358.

55 Monumenta Wittelsbacensia 1, ed. Martin Wittmann (= Quellen zur bayerischen und deutschen Geschichte 5, 1857) 73 Nr. 32, zit. bei Fichtenau, Kanzlei 254 A. 280.

56 Peter wurde 1265 Kanzler, Šebánek-Dušková, Urkundenwesen II 351. Zunächst wurden beide als Datare genannt, die Reihenfolge richtete sich nach der von den Empfängern her bestimmten Kompetenz der Datare. Daß Ulrich durch seine Nennung als Datar manchmal Empfängerausfertigungen die Form der Kanzleimäßigkeit verlieh, zeigen vier Stücke für St. Lambrecht vom 29./31. Jänner 1270, die alle von derselben St. Lambrechter Hand geschrieben worden sind (StUB V nn. 363, 365, 369, 370, davon sind 365 und 369 im Verzeichnis der Ottokar-Urkunden bei Šebánek-Dušková, Urkundenwesen II 422 genannt, keines jedoch in CDB V/2).

57 Šebánek-Dušková, Urkundenwesen II 351; allem Anschein nach wurde er nach 1271 seines Amtes als Datar enthoben, ohne daß eine andere Persönlichkeit seine Funktionen übernahm. In der Folge kommt es zu einem Nebeneinander zwischen Ulrich, Kanzler Peter und einem Notar Heinrich, Šebánek-Dušková w.o. 352 f.; w.o. 398 f.: „in der österreichischen Abteilung wuchs die Zerfahrenheit immer mehr an; die Arbeit lag in den letzten Regierungsjahren Ottokars überwiegend in den Händen von Kanzleinebenschreibern‟ … „seit 1270 verlor die österreichische Kanzlei die letzten Spuren einer festen Organisation‟.

58 MG Const. III 105 n. 114 c. 10: Item specialiter arbitramur, quod magister Ulricus notarius in ecclesia Wiennensi per regem Boemie presentatus, notarii, capellani et alii clerici in terra Austrie, Styrie et alibi ecclesias vel ecclesiastica beneficia et possessiones alias obtinentes contra ius nullatenus offendantur, possessione vel quasi preter iuris ordinem spolientur.

59 Josef Emler, Die Kanzlei der böhmischen Könige Premysl Ottokars II. und Wenzels II. und die aus derselben hervorgegangenen Formelbücher (= Abh. d. königl. böhm. Gesellschaft d. Wissenschaften 6, 9, Prag 1878) II, 1057 (1276 Dez.): … ne fortasse ex parte nostra pacis ordinacio corrupta in aliquo videretur, que inobservata est in magistro Ulrico, prothonotario nostro. Nam cum cautum esset expresse in forma composicionis, ne idem possessione Wienensis ecclesie privaretur, tamen spoliatus existit. Quare petimus, ut retractetur, et si postmodum ius aliquod episcopus Pataviensis … l.c. 1070 (1277 März): Preterea sicut pluries excellentiam vestram monuimus de Wyenensiecclesia pro magistro Ulrico, sic adhuc eciam vos monemus, petentes affectuose, quatenus eundem magistrum Ulricum, de possessione ecclesie ipsius in preiudicum concordie sic deiectum, dignemini facere retractari, nec non et quod nobis vestram super eo voluntatem reserare velitis.

60 l.c. 2271 (1277 Mai 6?) = MG Const. III 123 ff. n. 129/30: … et magister Ulricus predicti super hoc plenum habentes mandatum in animam ipsius regis Boemie domini nostri regis fide data sollempniter promiserunt. Const. III n. 131 (1277 Mai 6): … magistro Ulrici plenum mandatum habentibus … (Unterhändlereinigung). Emler, Kanzlei 23: 1279 wird Ulrich als Pfarrer von Hartberg genannt, zit. Šebánek-Dušková, Urkundenwesen II 358.

61 Fichtenau, Kanzlei 223 ff.

62 Alphons Dopsch, Die landesfürstlichen Urbare von Nieder- und Oberösterreich aus dem 13. und 14. Jahrhundert (= Österreichische Urbare I 1, Wien-Leipzig 1904); zu den Neuerungen vgl. Ivo Luntz, Urkunden und Kanzlei der Grafen von Habsburg und Herzöge von Österreich von 1273–1298. MIÖG 37 (1916) 411–540.

63 Šebánek-Dušková, Urkundenwesen II 383 ff., 390 ff. Zur Diplomatik der Nos-Urkunde mit vielen österreichischen Beispielen vgl. Oswald Redlich, Die Privaturkunden des Mittelalters (München-Leipzig 1911) 256 ff.

64 Die bereitwillige und unbürokratische Anfertigung des Photos ist der Freundlichkeit des Stiftsarchivars, P. Dr. Ildefons Fux, zu danken.